Ich war Jack Falcone
überreden. Ich sagte dann immer: »Hör mal, ich bin Geschäftsmann. Nein, danke.« Auf diese Weise erfuhr ich ihre wahren Geschichten – Geldprobleme, Probleme zu Hause. Es überraschte mich, dass viele von ihnen zur Schule gingen. Das Strippen war für sie eine Methode, um Geld für ihre Familie zu verdienen, nichts weiter. Es war ein harter Job – viele finstere Gestalten wollten sie ausnutzen. Wir warfen immer wieder ein paar Kerle raus, die zu aufdringlich waren.
Ich beschloss, zur Sicherheit noch einen verdeckten Ermittler mitzunehmen, für den Fall, dass die Albaner zurückkamen, um den Club zu demolieren. Zudem wollte ich sicher sein, dass wir am Tag der Abrechnung nicht in Schwierigkeiten kamen. Die Leitung des FBI war einverstanden und wollte mir einen Kollegen an die Seite stellen, der so jämmerlich ungeeignet war, dass ist fast lachen musste. Ich will niemanden beleidigen, aber er ließ sogar seine Schuhe neu besohlen. Er hatte eine Frisur im Stil der 1970er - Jahre und trug weiße Baumwollstrümpfe zu seinen dunklen Anzügen und Hosen aus Polyester. Dazu trug er kurzärmlige Hemden und gestreifte Krawatten, wie nur ein Verkäufer für Haushaltsgeräte sie tragen durfte. Im Büro hatte er einen schrecklichen Ruf als Aufschneider und Hitzkopf, und weil er so verspannt war, das er schier explodierte, hatte man ihm den Spitznamen »Tick Tick« verpasst. Er hatte einen Schnurrbart wie ein Pornodarsteller. Kann man sich einen richtigen Mafioso vorstellen, der seine Schuhe neu besohlen lässt oder jemanden ernst nimmt, der das tut?
Ich konnte nicht fassen, dass sie mir diesen Versager aufdrängen wollten. Ich brauchte jemanden, der glaubhaft einen Gangster darstellte, selbst wenn es ihm an Eleganz fehlte. Meine Wahl fiel auf Jimmy Gagliano, einen West-Point-Absolventen, Ranger der US-Army und Mitglied des Geiselrettungsteams, einer Eliteeinheit des FBI. Der Bursche hatte ein Tattoo neben dem anderen und einen rasierten Schädel, und er wirkte sehr hart und einschüchternd. Er kannte sich im Milieu gut aus und hatte große Erfahrung mit der organisierten Kriminalität. Jimmy arbeitete während der Ära John Gottis für die Gambino-Eliteeinheit, die Agent Bruce Mouws leitete. Er sollte mein Kraftpaket sein; mit ihm wollte ich an dem Fall arbeiten. Leider waren wir nicht lange zusammen, weil sich herausstellte, dass einige der Zielpersonen ihn von früheren Fällen her kannten. Aber solange er da war, leistete er hervorragende Arbeit.
Jimmy und ich hingen im Club ab. Er spielte meinen Cousin. Der Job war wie für ihn geschaffen, denn er wusste, wann er den Mund zu halten hatte. Manche verdeckten Ermittler reden zu viel, vielleicht, weil sie nervös sind oder weil sie glauben, sie müssten beweisen, dass sie alles wissen, um sich Respekt zu verschaffen. Nicht Jimmy. Er kapierte seine Rolle. Er wusste, wann er einfach nur dastehen und Furcht einflößend aussehen sollte. Genau das brauchte ich.
Ich traf nicht nur Gambinos. Stripclubs sind Magnete für Ganoven aus jedem Clan; darum begegnete ich auch Mafiosi der Familien Genovese, Bonanno und Colombo. Ich behaupte nicht, dass ich keine Angst hatte, denn alles, was ich über die neue Mafia, die Gangster der Nach-Gotti-Ära gelernt hatte, war offen gesagt Furcht erregend. In der alten Zeit waren Ehre und Gier die Triebkräfte der Mafia, und zwar in dieser Reihenfolge. Sie waren zuallererst der »Familie« treu. Sie hielten die Regeln ein, auch jene, die festlegten, wer wann warum und wie umgebracht werden sollte. Die alte Mafia hatte Sinn für Teamwork und eine Art Mission; sie war, wenn man so will, stolz auf sich. Sie ähnelte der Football-Liga – es gab viele verschiedene Mannschaften, aber alle fühlten sich einer Liga zugehörig. Die Interessen der Mafia waren wichtiger als ihre persönlichen Bedürfnisse, weil sie wussten, dass von dieser Einstellung alle profitierten.
Nicht so die heutigen Gangster. Erstens nehmen viele von ihnen Drogen. Sie kiffen Kokain, was die vorige Generation nie getan hat. Diese Typen sind so high, dass man nie weiß, was sie tun werden. Sie bringen Menschen um, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken – sie sind viel gewalttätiger und gefährlicher als ihre Vorgänger, und das will etwas heißen. Jedes schlechte Geschäft konnte mit einer Schießerei enden. Das galt sogar für die Auszahlung des Geldes, wenn wir im Club die Abrechnung machten. Selbst das Raubein Jimmy Gagliano konnte nicht viel für mich tun, wenn
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