Ich war Jack Falcone
die Leute davon zu überzeugen, dass ich italienische Wurzeln hatte. Angenommen, ich wollte meinen Capo berichtigen. Dann durfte ich ihm nicht einfach sagen, er habe einen Fehler gemacht. Dafür gibt es eine spezielle Sprache. Nat brachte mir bei, so zu sprechen: »Hör mal, ich will nicht respektlos sein. Du bist mein Chef, und was du sagst, das gilt für mich. Aber ich habe noch von einer anderen Möglichkeit gehört.«
Die Mafiosi hatten wieder einmal ihre Antennen ausgefahren, und zwar wegen Donnie Brasco. Die Omertà, die Schweigepflicht, die einst in jeder Generation nur einmal verletzt wurde, etwa von einem Abtrünnigen wie Joe Valachi, war jetzt ein Witz, ein Ding der Vergangenheit. Die Mafia glich eher einem Vogelreservat. Alle sangen, wenn sie Schwierigkeiten hatten. Man blieb nicht mehr standhaft und saß seine Freiheitsstrafe ab, in der Erwartung, dass der Clan einem helfen würde. Stattdessen hatte sich die Mafia zu einer Organisation entwickelt, in der jeder seinen eigenen Vorteil suchte. Erzählen Sie mir nichts über Ganovenehre. Die Mafia beschäftigt sogar Privatdetektive, die einmal bei der Polizei waren, um Anwärter wie mich zu überprüfen. Mir war es unbegreiflich, dass Kollegen die Seiten wechselten; aber es geschah jeden Tag, sodass ich mit gründlichen Recherchen rechnen musste.
Auch den Umgang mit heiklen Situationen musste ich lernen. Angenommen, ich sitze irgendwo mit einigen Drogenhändlern in einem Keller, und sie halten mir eine Kanone an den Kopf und sagen: »Du bist ein Spitzel. Wenn du dieses Kokain vernichtest, machen wir dich kalt.«
Ich war von diesem Szenario nicht gerade begeistert und sagte: »Keine Ahnung, was ich tun würde. Wichtiger finde ich die Frage, wie und warum ich mich in diese Lage gebracht habe.«
Wenn ich clever genug war, würde ich nie in einen solchen Schlamassel geraten. Manchmal war ich ein wenig frustriert, weil einige meiner Vorgesetzten, die an diesem Fall arbeiteten, sich mit der Mafia nicht etwas besser auskannten. Ich hatte immer einen Plan B parat: Sollte mir jemals befohlen werden, jemanden zu erschießen, würde ich einen Herzanfall vortäuschen. Ich würde zusammenbrechen, mir an die Brust greifen und stöhnen: »Verdammt! Ich habe einen Herzinfarkt!« Dann würde man mich in ein Krankenhaus bringen und den Mord auf einen anderen Tag verschieben, sodass das FBI genug Zeit hätte, das potenzielle Opfer zu schützen und zu verstecken. Aber vielleicht irre ich mich ja. Wer schleppt schon einen 177-Kilo-Mann fort? Diese Kerle hätten mich wahrscheinlich liegen und sterben lassen. Vermutlich werde ich es nie erfahren.
Eines war klar: Ich brauchte niemanden umzubringen, um in die Mafia aufgenommen zu werden. In früheren Jahrzehnten, als die Omertà noch eingehalten wurde, musste man eine »Probearbeit« abliefern – jemanden im Auftrag seiner Vorgesetzten töten –, um in die Mafia zu kommen. Allerdings kam es zu häufig vor, dass jemand für die Mafia tötete und dann Informant wurde. Deshalb lohnte es sich bald nicht mehr, den Gangsternachwuchs jemanden erschießen oder erdrosseln zu lassen. Vermutlich mussten die Mafiabosse sich damit abfinden, dass ein Teil der Aufgenommenen letztlich zur Justiz überwechseln würde. Man konnte immer noch den Befehl erhalten, jemanden zu töten oder bei einem Mord anwesend zu sein, aber es war kein Automatismus mehr. Jetzt war es ihnen wichtig, wie viel man verdiente, und nicht so sehr, wen man umbrachte.
Um meine Kenntnisse über die Mafia zu ergänzen, las ich Jerry Capecis Kolumne »Gang Land« auf seiner Website www.ganglandnews.com und die Website www.AmericanMafia.com, die Detective Rick Porello geschaffen hat. Das sind Schatztruhen, gefüllt mit Fakten und Geschichten über die Mafia.
Bald begann ich zu denken wie ein Ganove. Zu Beginn von Nat Parisis Mafiaschule war ich ein kubanischstämmiger FBI-Agent. Als ich sie verließ, war ich für die Gambinos bereit. Aber würden die Gambinos mich als Juwelendieb aus Miami akzeptieren und mich in ihre Welt aufnehmen?
Kapitel 9
Die Abrechnung im Naked Truth
Meine Rolle als neuer Investor im Stripclub entpuppte sich als gute Idee, weil sie mir half, einen guten Ruf zu erwerben und mit den Gepflogenheiten, den Tänzerinnen und dem Personal des Lokals vertraut zu werden. Die Tänzerinnen waren sehr nett und hatten ein paar recht interessante Geschichten auf Lager. Sie waren Prostituierte, die ständig versuchten, jemanden zu einem Lap Dance zu
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