Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich war zwölf...

Ich war zwölf...

Titel: Ich war zwölf... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Schweighoffer
Vom Netzwerk:
passieren, nur mich hat der liebe Gott
verworfen. Was kann ich seit meiner Geburt wohl Böses getan haben, daß ich
verdammt bin?
    In kleinen Wellen läuft der Kerzenwachs
den Kerzenleuchter aus Olivenholz hinunter. Das sieht hübsch aus, das beruhigt.
Wie das Bier.
    Ich höre Geräusche in der Wohnung. Er
kommt wieder vom Speicher herunter. Ich lecke meine Finger an, um schnell die
Kerze auszumachen. Ich krieche unter die Laken, das Kopfkissen auf dem Kopf.
Wenn nur! Wenn er doch nur nicht die Tür öffnete! Vielleicht hat er es aufgeschoben,
mir eine Tracht Prügel wegen der Zigarette zu verpassen.
    Ich höre nichts mehr. Es ist
Mitternacht, heute abend spielt sich nichts mehr ab. Heute abend spielt sich
nichts mehr ab, denn ich höre jetzt den Motor des Mercedes. Er fährt davon. Er
geht zu seinen Kumpels. Heute abend spielt sich nichts mehr ab.
    Mein kläglicher Krieg! Ich glaubte, das
Mittel gefunden zu haben, das ihn außer sich bringen würde! Bereits am nächsten
Morgen war ich entmutigt. Nicht nur, daß ich keine Tracht Prügel bekommen
hatte, sondern mir wurde bald klar, daß mein Plan ins Wasser gefallen war. Als
er nach Hause kam, nahm er mich sofort mit in sein Büro. Er hatte schon die
Schlüssel in der Hand, als er ankam. Wie gewöhnlich hat er die Tür verriegelt,
die Lichter gedämpft, ein Handtuch über den Türgriff gelegt, um das
Schlüsselloch dicht zu machen. Er hat sich in seinen Ministersessel gesetzt und
mir ein Päckchen Zigaretten mit einer kleinen, in Geschenkpapier eingewickelten
Schachtel hingehalten. Er strahlte. Vollkommen zufrieden mit sich und seinem
glücklichen Fund. In dem Paket — ein widerliches Geschenk: ein Feuerzeug. Aber
nicht irgendein Feuerzeug. Ein cremefarbenes Feuerzeug, in der Form einer Frau.
Um Feuer zu bekommen, mußte man auf die Brüste drücken.
    »Na? Was sagst du dazu? Das ist toll,
was?«
    »Es ist toll.«
    »Versprich mir eins. Rauch nicht
zuviel!«
    Das ist gründlich danebengegangen! Er
hat nicht nur akzeptiert, daß ich rauche, sondern er kauft mir Zigaretten. Und
obendrein das Feuerzeug eines Sexbesessenen.
    »Und nun? Wie dankt man seinem Vater
für dieses hübsche Geschenk?«
    Das heißt, ich werde es über mich
ergehen lassen müssen. Kein Gratisgeschenk. Bezahlung in cash. Ich suche fieberhaft
nach einer Ausrede, irgend etwas, um von hier fortzukommen, ich finde nichts.
Meine Regel kümmert ihn nicht. Kopfweh ebenso. Schlaf noch weniger. Die
Hausaufgaben scheren ihn einen Dreck. Ich habe ihn zu lange hingehalten. Er
wird böse, wenn ich ihn zu lange hinhalte. Sein Ton wechselt binnen einer
Sekunde.
    »Auf alle Fälle bleibst du hier!
Verstanden?«
    Wenn er bloß eine andere fände. Er hat
schon zuvor eine Freundin gehabt, vielleicht mehrere. Wenn ich meinen Platz
bloß an jemanden abtreten könnte.
    Eine Zigarette anzünden, das zögert den
unangenehmen Augenblick hinaus. Rechnungen schreiben ebenso. Aber ich kann
nicht zu lange herumtrödeln. Die Arbeit muß schnell und gut erledigt werden.
Ansonsten...
    Ich beeile mich, aber ich muß noch
warten, bis er fertig ist und über die Nacht entscheidet. Über SEINE Nacht. Ich
sehe ihn hinter seinem Direktorenschreibtisch sitzen, wie er sich für stark
hält. Wie er seine Geschäftsmannsshow abzieht. Du mogelst mit den Rechnungen,
ja, vor kurzem habe ich, unter anderem, begriffen, wozu ich auch noch diente.
Rechnungen, die von den Kunden verlangt werden, registrieren wir. Legen die
Kunden keinen Wert darauf, oder bezahlen sie bar, lassen wir die Rechnungen
verschwinden. Deswegen erledigt man die Buchhaltung besser im Familienkreis.
Und sein Geld, wo geht das eigentlich hin? Er gibt Mama nur das Notwendigste.
Er leistet sich einen Mercedes, er geht abends mit Freunden aus, und wenn er
nicht ausgeht, dann bezahle ich. Er ist gut organisiert, dieser Wüstling.
    Scheiße, er sieht mich an.
    »Du siehst hübsch aus heute abend.
Weißt du, daß du hübsch bist? Und auch dein Körper ist hübsch.«
    Ich kümmere mich einen Dreck um seine
Scheißkomplimente. Ich möchte mich schlafen legen. Ich will in sauberem Zustand
schlafen gehen.
    Er öffnet die eine Schublade, die immer
verschlossen ist, und holt eine kleine Schachtel hervor; ich habe sie schon
einmal gesehen, an dem Champagnerabend. Er redet, redet, ich höre nicht mehr
hin. Wenn ich beschließe, daß mich das nichts angeht, kann er erzählen, was er
will, ich habe meine Ohren zugemacht. Noch eine Zigarette.
    »Nein, warte!«
    Er öffnet die kleine

Weitere Kostenlose Bücher