Ich war zwölf...
mich trotzdem überall.
Sie nerven mich mit Ihrem Gefrage,
warum ich nicht die Pille nahm, Sie alle, die mich deswegen ausgehorcht haben.
Nimmt man die Pille mit vierzehn? Ich hätte sie mir auch als Geschenk zu meinem
bevorstehenden fünfzehnten Geburtstag wünschen können, warum nicht! In einer
hübschen Schachtel mit einem Band außenherum.
Niemand hatte mit mir über die Pille
gesprochen. Meine Freundinnen schon, aber nur, um sich wichtig zu machen. Doch
zu Hause kam es nicht in Frage, darüber zu reden. Was sollte ich zu meiner
Mutter sagen? Mama, ich schlafe mit einem Jungen, ich will die Pille.
Hätte ich vielleicht meinen Vater
fragen sollen? Das fehlte noch. »Papa, ich möchte gerne die Pille.« Eher
krepieren als zwischen diesem Dreckskerl und mir die geringste Komplizenschaft
aufkommen zu lassen. Zudem hätte er mit der Pille seine Ruhe gehabt... er hätte
mich doppelt so oft behelligt.
Aber ich hatte meine Periode nicht, und
bei dem Gedanken, schwanger zu sein, packte mich das nackte Entsetzen. Das Kind
meines Vaters austragen. Wie fürchterlich! Ganz plötzlich, einfach so, ist mir
das in den Sinn gekommen. Eine Angst mehr. Ich fing an, mir zu sagen: »Wenn es
doch käme, es muß kommen, du wirst kommen, du gottverdammtes Blut.« Eine Woche
war verstrichen und immer noch nichts. Und außerdem, wie sollte ich ihm das
sagen? Ich war ganz besessen davon. Ich blickte auf meinen Bauch hinunter, ich
inspizierte jeden Tag meine Wäsche. Ein Kind, nie im Leben! In meinem Alter,
von meinem Vater, Scheiße aber auch, eher bringe ich mich um. Ich konnte kein
Kind von diesem verdorbenen Stück in meinem Bauch behalten! Ich warte auf den
ersten Blutstropfen wie auf eine Erlösung, eine Vergebung des Himmels.
Ich erinnere mich an das erste Mal. Als
ich noch Kind war. Ich glaubte, es sei ein Glück, die Regel zu haben. Das
bedeutete, man war eine kleine Frau. Und wenn sie kam, war ich stolz. Und auch
der Dreckskerl war stolz. Es fehlte nicht viel, und ich wäre beglückwünscht
worden, hätte ein Geschenk erhalten als Willkommensgruß in der Welt der
Erwachsenen. Und heute hat mich der liebe Gott im Stich gelassen. Er würde mir
die Höllenfrucht der Sünde in den Armen lassen. Die Frucht meines Vaters.
Die Frucht der Sünde... Das klingt so
förmlich, nicht? Das klingt nach Bildergeschichte... blöder Fernsehserie. Aber
wenn Ihnen das passiert, wie soll man es nennen? Sünde ist das mindeste, was
man dazu sagen kann.
Ich sagte mir, immer mit der Ruhe,
Kleines, du hast eine Verzögerung. Nur eine Verzögerung. Je mehr du dich
aufregst, desto weniger kommt es. Bleib ruhig. Vielleicht hast du dich
getäuscht, als du die Tage gezählt hast. Du streichst die Tage nicht an, das
geschieht dir recht. Sobald es kommt, wirst du sie von jetzt an markieren. Du
darfst dich nicht mehr so auf die Folter spannen lassen. Du mußt es wissen.
Diese Warterei ist absolut unerträglich. Noch dazu die Last, es, auch diesmal,
niemandem mitteilen zu können. Ich versuchte, meine Angst unter Kontrolle zu halten...
Stellen Sie sich das nicht zu einfach vor! Schließlich habe ich beschlossen, es
ihm zu sagen. Am Abend des achten Tages meiner Verzögerung setzte ich mich ihm
gegenüber. Ich fing an, von irgendwas zu reden, irgendeiner belanglosen Sache
und rauchte dabei eine Zigarette. Ich überlegte, wie ich meinen Satz beginnen
könnte. Ich spielte die Ruhige. Aber ich war es nicht wirklich. Es ist komisch,
letztendlich hatte ich keine Angst vor ihm, fast konnte man meinen, ich hätte
die besseren Karten. Ein Joker und dazu noch einen guten auf meiner Seite. Der
viel wog. Ich hatte begriffen, daß ich auch ihm Angst einjagen würde. Das war
beinahe etwas Positives.
»Papa, sieh mich an. Ich habe dir etwas
sehr Wichtiges zu sagen.«
»Ach ja?«
Ich sehe wohl, er hat verstanden, daß
es ernst ist. Er zündet seine Gauloise an, aber ich lasse ihn ein bißchen
zappeln. So, ich kann ihm in die Augen blicken. Ich will sehen, wie er
zusammenbricht. Es gibt nichts gratis. Er soll genauso leiden wie ich, wenn
möglich.
»Ich habe meine Regel nicht bekommen.«
»Wie geht das an? Du hast dich sicher
geirrt.«
»Nein, ich habe mich nicht geirrt. Ich
kann dir den Kalender zeigen, ich habe acht Tage Verzögerung. Heute genau acht
Tage.«
»Zeig her.«
Ich zeige ihm die Daten. Und beharre
nachdrücklich darauf. Er versteht nicht viel davon, aber das ist mir egal. So
ist das eben.
»So ist das eben. Was wirst du tun?«
»Halt’s Maul! Laß
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