Ich war zwölf...
mich in Ruhe
nachdenken!«
»Ich will das nicht. Du mußt etwas
unternehmen.«
Er hat Angst.
»Es gibt ein Mittel, um ganz sicher zu
sein. In so einem Fall führt man einen Test durch.«
»Und wenn ich schwanger bin?«
»Dann kann man abtreiben.«
»Wie macht man das? Was wirst du Mama
sagen?«
»Für eine Abtreibung reicht es, wenn
ein Elternteil einverstanden ist. Und dann werd’ ich dich nach England
schicken. Das geht dort wie am Schnürchen.«
»Und Mama?«
Es nervt ihn, daß ich von Mama spreche.
Er wird immer ängstlicher. Ich frage mich, wie er das mit Mama regeln wird.
»Wir müssen eine Erklärung finden, die
mich aus der Sache heraushält. Für dich ist es nicht so schlimm. Deine Mutter
wird dich ausschimpfen, aber sie wird dir verzeihen. Eine Mutter verzeiht ihrer
Tochter so etwas immer.«
»Und ich? Ich zähle wohl nicht dabei?
Ich werde es Mama erzählen... was werde ich ihr erzählen? Wer hat es mir denn
gemacht? Soll ich vielleicht einen Typen erfinden? Sie wird alles wissen
wollen, die Einzelheiten. Dir ist’s egal... Du willst dich da raushalten. Toll,
dein Plan. Aber ich?«
»Ich sag’ dir doch, deine Mutter wird’s
verstehen.«
Wir schauen uns an. Was wird Mama
verstehen? Wie wird er sich reinwaschen? Er hat wirklich Angst. Er hat
irrsinnigen Schiß. Auch ich habe Bammel. Panik. Sein Rührstück, demzufolge ich
meiner Mutter irgendeinen Unsinn erzählen soll, die ein bißchen schimpfen und
mir dann verzeihen wird, klingt hübsch, aber ich zahle die Zeche. Ich. Immer
ich. Er nicht. Er sucht nach einem Gedankenblitz, um da herauszukommen. Ich
sehe wohl, daß er ihn gefunden hat. Dieses Lächeln...
»Woran denkst du? Was ist?«
»Zuerst mußt du den Test machen. Du
bist noch nicht sicher. Wir werden noch eine Woche abwarten.«
»Okay! Und danach?«
»Wenn du schwanger bist, müssen wir
einen Vater finden. Du brauchst bloß einen zu suchen.«
»Einen Typen suchen? Ich?«
»Ja, du. Du mußt mit jemandem
schlafen.«
»Mit jemandem? Mit wem denn?«
»Was weiß ich denn, schau zu, daß du in
deiner Bar jemanden aufreißt, irgend jemanden.«
»Du willst, daß ich zu ›Chez C.‹ gehe.
Und daß ich mit dem erstbesten Typen schlafe, der mir in die Hände fällt?«
»Siehst du eine andere Lösung? Du mußt dich
sogar beeilen mit dem Aufreißen. Im Falle, daß... Da hast du die Lösung. Danach
kannst du deiner Mutter die Wahrheit sagen. Du hast dann halt mit einem Typen
geschlafen, bist schwanger, Abtreibung, du brauchst nicht einmal zu lügen...«
Ich habe mich schlafen gelegt nach
diesem Schock. Ich sollte damit einverstanden sein, mit einem Typen zu
schlafen, um diesen Dreckskerl von Vater zu decken. Mit irgend jemandem. Ich
würde in die Bar gehen, zu »Chez C.«, den falschen Vater auswählen, ihm schöne
Augen machen, mich bumsen lassen, und dieser Dreckskerl war aus dem Schneider.
Ich habe das die ganze Nacht nicht wegstecken können. Trotzdem hatte ich ihm
Angst eingejagt. Er würde immer die Möglichkeit finden, sich da herauszumogeln.
Er an erster Stelle. Und das war ein Befehl, bitte schön. Ich mußte tatsächlich
hingehen. Auf den Fang nach einem falschen Vater. Ich weiß nicht, ob Sie sich
das wirklich klarmachen können. Ich glaube nicht. Eiören Sie: Ich muß mit einem
Kerl schlafen, den ich kaum oder überhaupt nicht kenne, um meinen alten Herrn
reinzuwaschen. Ich muß. Das ist ganz einfach Prostitution. Ich bin kein
Straßenmädchen. Ich habe nichts gegen Straßenmädchen, aber ich bin keins. Ich
bin nicht so. Und er ordnet das an. Und niemand ist da, um ihn nur eine einzige
Sekunde daran zu hindern. Ich war der ganzen Welt böse, daß sie mir nicht zu
Hilfe kam. Jede Nacht sagte ich mir: NEIN und NEIN. Und NEIN! Und am nächsten
Tag stand ich vor der großen Tür von »Chez C.«, auf die der Chef eine Menge
schöner Dinge hatte aufmalen lassen. Landschaften, Bäume, Blumen, Schiffe...
Nicht nur zu Weihnachten oder zu Silvester oder zu Ostern, sondern das ganze
Jahr über.
Ich schaute durch diese große verglaste
Tür. Unmöglich hineinzugehen. Keine Lust, ein Glas zu trinken. Ich schaute die
Männer, die Jungen von weitem an, und gab acht, daß mich niemand bemerkte.
Konnte ich wirklich einen von diesen Typen einfach so auswählen? Mit einem von
ihnen schlafen? Ich sah über die Gesichter hinweg, mir verschwamm alles vor den
Augen. Ich könnte nicht genau sagen, wieviel Zeit das gedauert hat: nur einige
Minuten vielleicht. Ich war da und schaute durch die
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