Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich weiss, dass du luegst

Ich weiss, dass du luegst

Titel: Ich weiss, dass du luegst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Ekman
Vom Netzwerk:
meisten der Menschen, die die Videos angesehen hatten und ihre Urteile fällten, bewegten sich auf Zufallsniveau oder waren geringfügig besser. Wir haben jetzt Tausende Menschen getestet, und, abgesehen von vier Gruppen, schneiden die Angestellten der Strafjustiz (Polizisten, Anwälte, Richter) und im Geheimdienst sowie Psychotherapeuten etwas besser ab, als wenn es Zufallsentscheidungen gewesen wären.
    Eine Ausnahme bildet eine Gruppe von Polizisten, die von ihren Kommissariaten als Vernehmungsexperten ausgesucht worden waren. Sie hatten an einem einwöchigen Lehrgang über Verhaltenshinweise auf Täuschungen teilgenommen. Diese Polizisten erzielten sehr gute Ergebnisse bei der Entdeckung von Lügen, die mit der Äußerung von Meinungen einhergingen.
    Bevor wir mit der Betrachtung fortfahren, warum Menschen so wenig Talent zum Lügenermitteln haben, geht es um Einschränkungen bei unserer Forschung. Sie könnten dazu geführt haben, dass wir die Fähigkeit unterschätzen, Lügen aus Verhaltensweisen abzuleiten. In den meisten Fällen stand bei den Beobachtern, die Lügner von ehrlichen Personen unterscheiden sollten, kein persönliches Interesse auf dem Spiel, gute Resultate zu erzielen. Sie bekamen keine bessere Bezahlung bei besserer Leistung. Die Aufgabe, Lügner zu überführen, war für die Testpersonen nicht wirklich wichtig, denn sie lebten nicht davon. Diese Einschränkung wurde in unseren| 9 Studien und in der Arbeit anderer Gruppen| 10 zur Sprache gebracht. Wir fanden heraus, dass professionelle Lügenermittler, Mitglieder des FBI, der CIA, der Behörde für Alkohol, Tabak und Feuerwaffen, der Drogenbekämpfungsbehörde, sowie Gerichtspsychiater, Zollbeamte, Polizisten, Richter an Amtsgerichten und Strafverteidiger kaum besser abschnitten, als hätte es eine Zufallsentscheidung gegeben.
    Vielleicht wäre die Genauigkeit höher gewesen, wenn die Urteilenden selbst die Fragen gestellt hätten, statt nur passive Beobachter zu sein. Dies ist nicht auszuschließen, wenn auch zweifelhaft. Die Notwendigkeit, Fragen zu formulieren, könnte genauso gut davon ablenken, die von der zu beurteilenden Person gelieferten Informationen zu verarbeiten. Aus diesem Grund stellt bei vielen Vernehmungen eine Person die Fragen, während eine andere passiv danebensitzt und sich auf die Antworten des Verdächtigen konzentriert. Es wäre interessant, bei unseren Experimenten professionelle Vernehmer die Fragen stellen zu lassen und dann herauszufinden, ob die Personen, die die Videos ansehen, genauere Ergebnisse erzielten als in unseren bisherigen Studien.
    Unsere Testpersonen kannten die Personen nicht, die sie beurteilen sollten. Daraus ließe sich eventuell ableiten, dass mit Vertrautheit auch größere Genauigkeit einherginge. Es gibt natürlich viele Situationen, in denen Urteile über Lügen abgegeben werden, ohne dass die zu beurteilende Person bekannt ist, und unsere Experimente entsprechen zumindest diesen Fällen. Es ist fraglich, ob die Aufdeckung von Lügen stets von der Vertrautheit zwischen den Personen profitiert. Während dabei eigenwilliges Verhalten nicht berücksichtigt wird, sind womöglich doch Nachteile damit verbunden. Man neigt dazu, Freundschaften zu pflegen und in die Beziehungen zu Arbeitskollegen zu investieren, sodass der Wunsch, sie aufrechtzuerhalten, vielleicht blind macht für Verhaltensweisen, die diese Beziehungen stören könnten. Vertrauen macht einen anfällig dafür, aufs Glatteis geführt zu werden, da das gewohnte Maß an Skepsis geringer ist und im Zweifelsfall die Entscheidung schon aus Routine zugunsten des anderen ausfällt. Das Engagement für eine Beziehung kann auch das Vertrauen in die eigene Fähigkeit stärken, eine Täuschung aufzudecken, und diese Selbstsicherheit führt eventuell dazu, dass man selbst angreifbar wird. Der einzig wirkliche Vorteil der Vertrautheit mit einem Menschen ist dann gegeben, wenn man allen Grund hat, dieser Person zu misstrauen, und man Erfahrungen mit ihr gemacht hat, wie und wann sie die Beziehung verrät.
    In den Experimenten bekamen die Beobachter jeweils nur ein paar Minuten jedes Interviews zu sehen, bevor sie ein Urteil abgeben sollten. Längere Ausschnitte müssen sich nicht unbedingt positiv auf die Entlarvung von Lügen auswirken. In einer weiteren Studie wurden die Ausschnitte doppelt so lange gezeigt, wobei keine Verbesserung erreicht wurde. Außerdem ergaben Verhaltensmessungen, dass es Täuschungshinweise in diesen kürzeren

Weitere Kostenlose Bücher