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Ich weiss, dass du luegst

Ich weiss, dass du luegst

Titel: Ich weiss, dass du luegst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Ekman
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Ausschnitten gibt. Trotzdem kann man diese Einschränkung nicht ausschließen. Vielleicht nimmt die Genauigkeit tatsächlich zu, wenn die Testpersonen ein- bis zweistündige Videos sehen.
    Ein Kritiker mag fragen, ob die Genauigkeit deshalb so gering war, weil es nur wenige Verhaltenshinweise auf Täuschungen gab, was, wie bereits erwähnt, auf unsere Experimente nicht zutrifft. Die durchgeführten Messungen -Gesichtsbewegungen, Stimme und Sprache - zeigen, dass hohe Genauigkeitsgrade durchaus möglich sind, nämlich mehr als 80 Prozent korrekte Unterscheidungen zwischen Lügner und ehrlicher Person. Zwar waren für diese Messungen Zeitlupenwiederholungen nötig, aber genaue Urteile sind auch beim Betrachten der Videos in Echtzeit möglich. Ein kleiner Prozentsatz der beobachtenden Personen erreichte eine Genauigkeit von 80 Prozent oder mehr. Dieser Erfolg konnte in anderen Szenarios wiederholt werden. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass die Genauigkeit einem glücklichen Zufall geschuldet war. Außerdem erzielten einige Berufsgruppen, die als eigene Gruppe betrachtet, sehr gute Ergebnisse. Die Mitglieder des U.S. Secret Service erreichten große Genauigkeit bei der «Emotionslüge». Keiner von ihnen geriet auf oder unter die Zufallsmarke, während ein Drittel der Teilnehmer eine Treffsicherheit von mehr als 80 Prozent erreichte. Die Vernehmer, die speziell wegen ihrer Fähigkeit ausgewählt worden waren und an einem einwöchigen Kursus teilnahmen, zeigten eine ähnliche Genauigkeit bei der «Meinungslüge».
    Obwohl viel mehr bei den untersuchten Lügen auf dem Spiel stand als bei anderen Forschungsprojekten über das Lügen, ist es sicherlich nicht mit vielen Kriminalfällen oder in Angelegenheiten der nationalen Sicherheit zu vergleichen. Hätte noch wesentlich mehr auf dem Spiel gestanden, wären auf den Videos viele offensichtliche Täuschungshinweise zu sehen gewesen, was zu einer höheren Treffsicherheit geführt hätte. Trotz dieser Versuchsanordnung, gab es wie erwähnt einige Berufsgruppen, die die Videos akkurat beurteilten.
    Einigen Personen gelingt es, aus dem Gesehenen den Lügner aufzuspüren, aber den meisten gelingt dies nicht. Bevor wir verstehen können, warum die überwältigende Mehrheit so schlecht abschneidet, stellt sich die Frage, was zur Treffsicherheit der anderen beigetragen und damit zu einer Über- statt zu einer Unterschätzung der Genauigkeit geführt haben könnte. In allen unseren aktuellen Studien wurde den Beobachtern gesagt, dass zwischen 40 und 60 Prozent der Personen in den Videos lügen. Anfangs haben wir sie nicht davon unterrichtet und stellten fest, dass eine Gruppe von Polizisten jeden, den sie auf Video sahen, für einen Lügner hielten. Später erklärten sie, alle Menschen würden lügen, vor allem, wenn sie es mit der Polizei zu tun hätten. Kennt man die Grundrate von Lügen, ist das ein Vorteil, den man nicht immer hat und der das Aufspüren von Lügen eigentlich verbessern müsste, worauf später noch eingegangen wird.
    Selbst bei der Annahme, unser Beweismaterial sei nicht schlüssig, enthalten unsere Videos dennoch Verhaltenshinweise auf Täuschungen, die manche Menschen genau erkennen, die meisten jedoch nicht. Betrachten wir diesen Umstand als Indiz dafür, dass im wahren Leben die überwältigende Mehrheit der Leute Lügen, bei denen viel auf dem Spiel steht, nicht aufgrund von Verhaltensweisen entdecken. Woran liegt das? Warum können Menschen Lügen nicht besser erkennen? Es ist ja nicht so, dass es uns gleichgültig wäre. Aus Meinungsumfragen geht immer wieder hervor, dass Ehrlichkeit zu den fünf wichtigsten Eigenschaften gehört, die eine Führungspersönlichkeit, ein Freund oder ein Partner besitzen sollte. In der Unterhaltungsindustrie geht es in Geschichten, Filmen und Liedern häufig um die tragischen Konsequenzen des Verrats.
    Die erste Erklärung, warum Menschen so schlechte Lügenermittler sind, bezieht sich auf unsere Evolutionsgeschichte. Wir sind nicht dafür ausgestattet, gute Lügenfänger oder -erzähler zu sein. Vermutlich gab es bei unseren Vorfahren nicht allzu viele Gelegenheiten, zu lügen und damit durchzukommen. Wurde man ertappt, waren mit der Lüge womöglich erhebliche Kosten verbunden. Trifft diese Spekulation zu, hätten diejenigen, die ungewöhnlich geschickt Lügen aufdecken oder auftischen konnten, die natürliche Selektion nicht überstanden. Die Fossilienfunde sagen nicht viel über die sozialen Verhältnisse aus, sodass

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