Ich weiss, dass du luegst
Vater oder Mutter vielleicht gar nicht bereit, für die Beichte eines Vergehens Absolution zu erteilen. Oder dieses Angebot wird aufgrund früherer Erfahrungen nicht ernst genommen. Der Junge muss seinem Vater vertrauen und sicher sein können, dass auch der Vater imstande ist, ihm zu vertrauen. Ein Vater, der stets misstrauisch und skeptisch gewesen ist, der seinem Sohn nicht geglaubt hat, als dieser ehrlich gewesen war, wird in einem unschuldigen Jungen Angst erregen. Und daraus ergibt sich ein entscheidendes Problem beim Erkennen des Betrugs: Es ist nahezu unmöglich, zwischen der Angst des unschuldigen Jungen, auf Unglauben zu stoßen, und der Furcht des schuldigen Jungen vor Entlarvung zu unterscheiden. Denn die Anzeichen sind dieselben.
Diese Probleme gibt es nicht nur bei Aufdeckung eines Betrugs zwischen Eltern und Kind. Es ist immer ein Problem, die Angst eines Unschuldigen, auf Unglauben zu stoßen, von der Furcht des Schuldigen vor Entlarvung zu unterscheiden. Die Schwierigkeiten nehmen zu, wenn der Lügenermittler den Ruf hat, misstrauisch zu sein, und die Wahrheit in früheren Fällen nicht akzeptiert hat. Mit jedem weiteren Vorfall wird es schwieriger für ihn werden, beide Ängste auseinanderzuhalten. Ist jemand dagegen im Täuschen geübt und hat er wiederholt die Erfahrung gemacht, damit durchzukommen, sollte das die Angst vor Entlarvung verringern. Der Ehemann, der gerade seine vierzehnte Affäre angefangen hat, macht sich kaum Sorgen darum, ertappt zu werden. Er hat Erfahrung im Betrügen. Er weiß, woran er im Vorfeld denken muss und wie er damit umgeht. Und vor allem: Er weiß, dass er damit durchkommt. Selbstvertrauen dämpft die Furcht vor Entlarvung. Wenn es allerdings zu lange gutgeht, macht ein Lügner vielleicht Fehler aus Leichtsinn. Ein wenig Angst vor Entlarvung ist daher für den Lügner offenbar von Vorteil.
Der als Lügendetektor bekannte Aufzeichnungsapparat arbeitet nach denselben Prinzipien wie die Erkennung verräterischer Verhaltensweisen, die auf eine Täuschung hindeuten, und ist daher auch für dieselben Probleme anfällig. Der Lügendetektortest erkennt keine Lügen, sondern nur Anzeichen für Emotionen. Der Verdächtige wird mit dem Apparat verkabelt, um Veränderungen beim Schwitzen und bei der Atmung sowie ein Ansteigen des Blutdrucks zu messen. Erhöhte Blutdruckwerte und Schwitzen sind jedoch per se keine Anzeichen für Betrug. Die Hände werden feucht, und das Herz schlägt schneller, wenn Emotionen ins Spiel kommen. Bevor der Lügendetektor eingesetzt wird, versuchen die dafür ausgebildeten Beamten zumeist, den Verdächtigen davon zu überzeugen, dass der Detektor niemals versagt und jeden Lügner erwischt. Das ist der sogenannte Stimulationstest. Die gebräuchlichste Technik besteht darin, dem Verdächtigen zu demonstrieren, dass die Maschine angeben kann, welche Karte er von einem Stapel Spielkarten abgehoben hat. Nachdem der Verdächtige eine Karte gezogen und sie zurück auf den Stapel gelegt hat, wird er aufgefordert, jedes Mal nein zu sagen, wenn der Bediener des Apparats ihn fragt, ob es diese oder jene Karte gewesen sei. Manche Personen, die diese Technik anwenden, gehen auf Nummer sicher, weil sie der Maschine nicht zutrauen, die Lüge zu entdecken, und benutzen deshalb ein präpariertes Kartenspiel. Sie rechtfertigen den Betrug am Verdächtigen aus zwei Gründen. Sollte er unschuldig sein, ist es wichtig, dass er glaubt, die Maschine mache keinen Fehler. Sonst könnte er die Angst zeigen, auf Unglauben zu stoßen. Sollte er jedoch schuldig sein, ist es wichtig, ihm die Angst einzuflößen, erwischt zu werden. Sonst würde die Maschine nämlich wirklich nicht funktionieren. Die meisten Bediener des Lügendetektors lassen sich nicht auf diesen Betrug ein, sondern vertrauen darauf, dass der Apparat erkennt, welche Karte genommen wurde.| 4
Es ist dieselbe Situation wie in The Winslow Boy - der Verdächtige muss an die Fähigkeiten des Lügenermittlers glauben. Anzeichen für Angst sind zweideutig, es sei denn, alles wird so arrangiert, dass nur der Lügner und nicht der Ehrliche Angst haben muss. Die Lügendetektortests versagen nicht nur, weil einige Unschuldige Angst davor haben, ungerechtfertigterweise angeklagt zu werden, oder aus anderen Gründen bei einem Test aufgeregt sind, sondern auch weil manche Kriminelle nicht an die Magie der Maschine glauben. Sie wissen, dass sie ungestraft davonkommen können, und wenn sie das wissen, erhöht sich auch die
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