Ich weiss, dass du luegst
Eitelkeit peinlich sein. Um mit seiner Täuschung Erfolg zu haben, muss er dann nicht nur sein Alter, sondern auch seine Verlegenheit verbergen. Der Plagiator empfindet womöglich Geringschätzung gegenüber denen, die er irreführt. Er müsste daher nicht nur die Quellen seiner Arbeit verheimlichen und eine Fähigkeit vortäuschen, die er nicht besitzt, sondern müsste auch seine herablassende Haltung verbergen. Wer Geld unterschlägt, dürfte überrascht sein, wenn jemand anders seines Verbrechens beschuldigt wird. Er müsste seine Überraschung oder zumindest den Grund dafür verbergen.
So tauchen also doch noch Emotionen bei Lügen auf, die eigentlich nicht aufgetischt wurden, um Emotionen zu verbergen. Sobald sie ins Spiel kommen, müssen sie verheimlicht werden, damit die Lüge nicht auffliegt. Jede beliebige Emotion kann der Bösewicht sein, aber drei sind so häufig mit Betrug verknüpft, dass sie eine genauere Würdigung verdienen: die Angst, erwischt zu werden, Schuldgefühle wegen des Lügens und die Freude, jemanden hereingelegt zu haben.
Die Angst, erwischt zu werden
Diese Angst ist in ihrer milden Ausprägung nicht störend, sondern schärft die Aufmerksamkeit des Lügners und trägt so womöglich dazu bei, dass er Fehler vermeidet. Ein maßvoller Angstpegel kann dennoch Anzeichen hervorbringen, die dem geschickten Lügenermittler nicht entgehen. Und wenn die Angst stark ist, produziert sie genau das, wovor sich der Lügner fürchtet. Könnte ein Lügner einschätzen, wie groß seine Furcht vor Entlarvung sein wird, wenn er lügt, könnte er besser entscheiden, ob es das beachtliche Risiko wert ist. Auch wenn er sich bereits festgelegt hat, könnte ihm diese Einschätzung bei der Planung von Gegenmaßnahmen helfen, die seine Angst verringern oder verheimlichen. Auch ein Lügenermittler kann von diesen Informationen profitieren. Er könnte sich auf die Suche nach Anzeichen für Furcht machen, wenn er vermutet, dass ein Verdächtiger große Angst hat, erwischt zu werden.
Viele Faktoren beeinflussen das Ausmaß der Furcht, entlarvt zu werden. Der erste Bestimmungsfaktor, den wir berücksichtigen müssen, ist die Frage, wie hoch der Lügner das Geschick seiner Zielperson einschätzt, Lügen zu entlarven. Ist die Zielperson als leichte Beute bekannt, wird die Angst, erwischt zu werden, normalerweise nicht sehr groß sein. Andererseits wird jemand, der schwer zu narren ist und der den Ruf hat, ein ausgezeichneter Lügenermittler zu sein, dem Lügner diese Angst einflößen. Eltern reden ihren Kindern häufig ein, sie selbst seien solche Meisterdetektive, die jede Unwahrheit erkennen können: «Wenn ich dir in die Augen schaue, sehe ich, ob du mich anlügst oder nicht.» Das unehrliche Kind bekommt eine solche Angst, ertappt zu werden, dass es sich genau dadurch verrät, oder es gesteht, weil es die Erfolgschancen seiner Lüge als zu gering einschätzt.
In Terence Rattigans Theaterstück The Winslow Boy und im gleichnamigen Film von 1950 benutzt der Vater diese Taktik sehr umsichtig. Sein halbwüchsiger Sohn Ronnie wird des Diebstahls einer Postanweisung bezichtigt und ist deshalb aus der Marineakademie ausgeschlossen worden:
ARTHUR [Vater]: In diesem Brief steht, du hast eine Postanweisung gestohlen. (RONNIE will antworten. ARTHUR lässt ihn nicht.) Ich möchte, dass du jetzt nicht eher etwas sagst, bis du gehört hast, was ich zu sagen habe. Wenn du es warst, musst du es mir sagen. Ich werde nicht wütend auf dich sein, Ronnie - vorausgesetzt, du sagst mir die Wahrheit. Aber wenn du mich anlügst, werde ich es erkennen, weil zwischen dir und mir eine Lüge nicht verborgen bleibt. Ich werde es erkennen, Ronnie - also, denk daran, bevor du etwas sagst. (Er macht eine Pause.) Hast du die Postanweisung gestohlen?
RONNIE (zögert): Nein, Vater. Arthur macht einen Schritt auf ihn zu.
ARTHUR (schaut ihm direkt in die Augen): Hast du die Postanweisung gestohlen?
RONNIE Nein, Vater. (Arthur schaut ihm noch eine Sekunde lang in die Augen, dann entspannt er sich).| 3
Arthur glaubt Ronnie, und das Stück erzählt, welche großen Opfer der Vater und die ganze Familie bringen müssen, um Ronnie zu rehabilitieren.
Nicht immer kann ein Elternteil Arthurs Strategie anwenden, um die Wahrheit zu erfahren. Wenn ein Junge seinen Vater in der Vergangenheit schon häufiger angelogen hat und damit durchgekommen ist, wird er keinen Grund zu der Annahme haben, dass er nicht erneut erfolgreich sein kann. Umgekehrt sind
Weitere Kostenlose Bücher