Ich weiss, dass du luegst
Beobachtung, dass die gezeigten Illustratoren nachlassen, wenn eine Person sie weniger einsetzt, als sie dies üblicherweise tut. Um eine falsche Interpretation zu vermeiden, warum die Anzahl der Illustratoren bei jemandem sinkt, müssen wir mehr darüber wissen, wann Menschen Illustratoren einsetzen.
Fragen wir uns zunächst, warum Menschen überhaupt Illustratoren benutzen. Sie werden eingesetzt, um etwas zu erklären, was schwer in Worte zu fassen ist. Wir stellten fest, dass die Menschen eher auf untermalende Gesten zurückgriffen, wenn sie einen Zickzack definieren sollten, statt beispielsweise einen Stuhl. Dasselbe galt für die Wegbeschreibung zum Postamt im Vergleich zur Erklärung der Berufswahl. Illustratoren werden außerdem eingesetzt, wenn jemandem das treffende Wort nicht einfällt. Wenn eine Person mit den Fingern schnalzt oder ihre Hände in die Luft streckt, scheint ihr das zu helfen, das richtige Wort zu finden, als schwebe es über ihr und könne mit den illustratorischen Bewegungen eingefangen werden. Solche WortsucheIllustratoren lassen den Gesprächspartner zumindest wissen, dass man nach einem Wort sucht und dann weitersprechen wird. Illustratoren können eine anfeuernde Funktion haben. Sie helfen Menschen, Worte zu einer vernünftigen, stimmigen Rede zusammenzufügen. Illustratoren nehmen zu, je mehr man in das Gesagte hineingezogen wird. Menschen neigen dazu, mehr als üblich ihre Rede mit Gesten zu begleiten, wenn sie wütend, erschrocken, sehr aufgebracht, betrübt oder völlig begeistert sind.
Die Untersuchung einer Abnahme des üblichen Illustrationsniveaus erklärt, in welchen Fällen dieses Nachlassen ein Täuschungshinweis sein kann. Zunächst kann ein Mangel an emotionaler Beteiligung am Gesagten vorliegen. Menschen verwenden weniger Illustratoren als sonst, wenn sie unbeteiligt, gelangweilt, desinteressiert oder tieftraurig sind. Wer Interesse oder Begeisterung vortäuscht, dem gelingt es womöglich nicht, seine Rede mit vermehrten Illustratoren zu begleiten, und kann sich dadurch verraten.
Illustratoren lassen auch nach, wenn eine Person sich nicht entscheiden kann, was genau sie sagen will. Wenn jemand sorgfältig jedes Wort abwägt und darüber nachdenkt, was er sagt, bevor er es äußert, treten weniger Illustratoren auf. Wer zum ersten oder zweiten Mal eine Rede hält, sei es ein Vortrag oder ein Verkaufsgespräch, wird weniger Illustratoren parat haben als bei späteren Anlässen, wenn weniger Mühe investiert werden muss, die richtigen Worte zu finden. Immer wenn beim Sprechen Vorsicht geboten ist, sind weniger Illustratoren beteiligt. Das muss nichts mit Täuschungsmanövern zu tun haben. Es mag Vorsicht sein, weil der Einsatz hoch ist: der erste Eindruck, den man auf den Chef macht, die Antwort auf eine Frage, mit der man einen Preis gewinnen könnte, die ersten Worte gegenüber einer Person, die man zuvor leidenschaftlich aus der Ferne verehrt hat. Auch Ambivalenz kann zur Vorsicht beim Reden führen. Eine verängstigte Person findet womöglich ein lukrativeres Arbeitsangebot schrecklich verlockend, hat aber Angst, das Risiko einzugehen, das die neue Arbeitssituation mit sich bringt. Hin und her gerissen von der Frage, ob sie annehmen sollte oder nicht, wird sie von dem Problem gequält, was sie sagen und wie sie es formulieren soll.
Hat ein Lügner seinen Text nicht ordentlich vorbereitet, wird er ebenfalls vorsichtig sein müssen und sorgfältig jedes Wort abwägen. Betrüger, die ihren Text nicht einstudiert haben, die wenig Erfahrung und nicht vorausgeahnt haben, welche Fragen wann gestellt werden, setzen auch weniger Illustratoren ein. Selbst wenn der Lügner seinen Text ausgearbeitet und einstudiert haben sollte, könnten die Illustratoren geringer ausfallen, weil er unter Stress steht. Manche Emotionen, vor allem Angst, können zusammenhängendes Sprechen stören. Die Last, nahezu alle intensiven Emotionen in den Griff bekommen zu müssen, lenkt von den Prozessen ab, die mit der Aneinanderreihung von Worten verbunden sind. Muss die Emotion nicht nur bewältigt, sondern auch verheimlicht werden, wird wahrscheinlich auch der Lügner mit einem gut vorbereiteten Text Schwierigkeiten haben, ihn vorzutragen, sodass er weniger Illustratoren einsetzt.
Die Krankenpflegeschülerinnen in unserem Experiment zeigten weniger sprachbegleitende Gesten, als sie versuchten, ihre Reaktionen auf den Film mit den Verbrennungen und der Amputation zu verbergen. Das war nicht der Fall,
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