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Ich weiss, dass du luegst

Ich weiss, dass du luegst

Titel: Ich weiss, dass du luegst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Ekman
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Ohrenschmalz wird aus dem Gehörgang entfernt, ein Körperteil wird gekratzt. Andere Manipulatoren, vor allem die, die lange dauern, scheinen nicht zweckgerichtet zu sein: Haarsträhnen werden aufgedreht und wieder entflochten, Finger werden gerieben, man tippt mit einem Fuß auf den Boden. Typischerweise ist die Hand der Manipulator, obwohl auch sie, wie jeder andere Körperteil, das Objekt der Manipulation sein kann. Bekannte Objekte sind Haar, Ohren, Nase oder Schritt. Auch im Gesicht kommen manipulatorische Aktionen zur Anwendung - die Zunge stößt gegen die Wange, die Zähne beißen ein wenig auf die Lippen oder die Beine werden aneinander gerieben. Hilfsmittel können zu Bestandteilen des manipulatorischen Akts werden: Streichholz, Bleistift, Büroklammer oder Zigarette.
    Wenngleich die meisten Menschen so erzogen wurden, dieses Badezimmerverhalten nicht in der Öffentlichkeit zu zeigen, haben sie nicht gelernt, damit aufzuhören, sondern nur aufgehört zu bemerken, dass sie es noch tun. Die Menschen sind sich ihrer Manipulatoren nicht völlig unbewusst. Wenn wir bemerken, dass jemand sich unsere manipulatorischen Akte anschaut, unterbrechen, verringern oder vertuschen wir sie schnell. Eine ausladendere Geste genügt häufig, um einen flüchtigen manipulatorischen Akt geschickt zu kaschieren. Selbst diese raffinierte Strategie zur Verheimlichung eines Manipulators wird nicht unbedingt bewusst ausgeführt. Manipulatoren finden am Rand des Bewusstseins statt. Selbst wenn sie es sich vornehmen, gelingt es den meisten nicht, Manipulatoren für längere Zeit einzustellen, weil sie daran gewöhnt sind, Manipulationen an sich selbst vorzunehmen.
    Die Menschen schneiden als Beobachter besser ab als in der Darstellerrolle. Wenn jemand eine manipulatorische Bewegung macht, wird ihm die Privatsphäre gestattet, diesen Akt zu beenden, selbst wenn der Manipulator mitten in einem Gespräch beginnt. Andere schauen weg, wenn ein Manipulator inszeniert wird, und sehen erst wieder hin, wenn er beendet ist. Wenn es sich um eine jener offenbar sinnlosen Aktionen handelt wie das Verdrehen von Haarsträhnen, was nicht aufzuhören scheint, schauen die Gesprächspartner natürlich nicht die ganze Zeit weg, aber sehen sich normalerweise den manipulatorischen Akt nicht allzu lange an. Solche höfliche Unaufmerksamkeit gegenüber Manipulatoren ist eine eingeschliffene Gewohnheit, an die man keinen Gedanken verschwendet. Es ist vielmehr der Beobachter des manipulatorischen Akts, der wie ein Spanner gegen die guten Sitten verstößt. Wenn zwei Autos an einem Stoppschild nebeneinander zum Stehen kommen, erregt derjenige Missfallen, der der Person im anderen Wagen einen Blick zuwirft, und nicht der, der leidenschaftlich in seinem Ohr herumbohrt.
    Ich bin nicht der Einzige, der Manipulatoren studiert und sich fragt, warum Menschen gerade einen bestimmten Manipulator bevorzugen und nicht einen anderen. Hat es irgendetwas zu bedeuten, wenn lieber gerieben als gedrückt wird oder wenn jemand ein Zupfen dem Kratzen vorzieht? Und lässt sich eine Botschaft herauslesen, ob es die Hand, das Ohr oder die Nase ist, die berührt werden? Ein Teil der Antwort hat mit Eigenwilligkeit zu tun. Menschen haben Lieblingstätigkeiten, eine spezielle Art von Manipulator, der ihr Kennzeichen ist. Bei dem einen ist es vielleicht das Drehen eines Rings, ein anderer zupft seine Nagelhaut, und ein Dritter zwirbelt seinen Schnurrbart. Niemand hat bisher untersucht, warum Menschen sich für einen Lieblingsmanipulator und gegen einen anderen entschieden haben oder warum manche keinen speziellen, eigenwilligen Manipulator entwickelt haben. Es gibt Hinweise darauf, die vermuten lassen, dass gewisse manipulatorische Aktionen mehr als nur Unbehagen verraten. Bei Psychiatriepatienten stellten wir Zupfmanipulatoren fest, die nicht auf Wut zurückzuführen waren. Patienten, die sich schämten, verdeckten ihre Augen. Aber das ist nur ein vorläufiger Beweis, verglichen mit dem allgemeineren Befund, dass Manipulatoren mit steigendem Unbehagen zunehmen.| 20
    Wissenschaftler bestätigen die Annahme des Laien, dass Menschen kribbelig werden und unruhige Bewegungen machen, wenn sie verlegen oder nervös sind. Das Kratzen, Drücken und Zupfen des Körpers sowie Ohrreinigungen und pflegende Manipulatoren nehmen mit jeder Form des Unbehagens zu. Ich glaube, dass Menschen aber auch viele Manipulatoren zeigen, wenn sie ganz entspannt und ungezwungen sind und auf den Putz hauen. Wenn sie

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