Ich weiss, dass du luegst
die Experten nicht immer überein, und wenn dies der Fall ist, gibt es keine Möglichkeit, festzustellen, wann sie sich irren. Selbst Geständnisse sind nicht immer unproblematisch, weil manchmal auch Unschuldige gestehen. Selbst wenn Geständnisse stichhaltig sind, liefern sie die grundlegende Wahrheit nur über einen kleinen und womöglich höchst ungewöhnlichen Anteil jener Verdächtigen, die den Lügendetektortest absolvieren. Nahezu alle Feldstudien leiden an dem Problem, dass die Grundgesamtheit von Fällen, aus denen die Fälle ausgesucht wurden, nicht bestimmt wird.
Analogstudien
Bei den Analogstudien sind die Probleme nicht weniger schwerwiegend, sondern nur anders gelagert. Hier gibt es Gewissheit über die grundlegende Wahrheit - der Forscher fordert ein paar Testpersonen auf, ein «Verbrechen» zu begehen, und bittet andere, es nicht zu tun. Die Ungewissheit besteht darin, ob ein vorgetäuschtes Verbrechen jemals als wirkliche Tat ernst genommen werden kann. Forscher entwickelten simulierte Verbrechen, die die Versuchspersonen begehen sollen. Man versucht, sie durch die Aussicht auf eine Belohnung dazu zu motivieren, sich anschließend beim Lügendetektortest nicht erwischen zu lassen. Gelegentlich wird den Teilnehmern mit Bestrafung gedroht, falls ihre Lüge auffliegen sollte, aber aus ethischen Gründen sind diese Bestrafungen geringfügig. (So droht man Studenten zum Beispiel damit, dass die Teilnahme an dem Experiment nicht für den Kurs angerechnet wird.) Fast alle, die die Kontrollfragentechnik verwendeten, griffen auf eine Version des simulierten Verbrechens zurück, die von Raskin entwickelt wurde:
«Die Hälfte der Teilnehmer erhielt einfach die Information, irgendwo im Gebäude sei ein Ring aus einem Büro gestohlen worden. Sie sollten nun einen Lügendetektortest absolvieren, um herauszufinden, ob sie die Wahrheit sagten, wenn sie verneinten, dass sie irgendetwas mit dem Diebstahl zu tun gehabt hätten. Man versprach ihnen einen beträchtlichen Geldbetrag, falls sie es schafften, bei dem Test ehrlich zu erscheinen. Die andere Hälfte der Versuchspersonen erhielt Anweisungen für das Vergehen, das sie begehen sollten... Die Teilnehmer gingen in ein Zimmer auf einer anderen Etage, lockten die Sekretärin aus ihrem Büro, drangen dort ein und durchsuchten ihren Schreibtisch nach einer Geldkassette, in der der Ring lag. Eine Versuchsperson versteckte den Ring bei sich. Dann kehrte die Gruppe ins Labor zurück, um den Lügendetektortest zu absolvieren. Die Teilnehmer waren gewarnt worden, niemandem zu verraten, dass sie an einem Experiment teilnähmen. Sie sollten ein Alibi parat haben, falls jemand sie im Sekretariat überraschen sollte. Außerdem wurde ihnen eindringlich untersagt, Details des Verbrechens dem Prüfer am Detektor zu verraten, weil er dann wüsste, dass sie sich des Verbrechens schuldig gemacht hätten. In diesem Fall würden sie weder ihr Honorar noch den Bonus von 10 Dollar bekommen.»| 18
Dies ist zwar ein eindrucksvoller Versuch, ein echtes Verbrechen nachzustellen, aber die Frage bleibt, ob dabei auch Emotionen bezüglich der Lüge erregt werden. Da der Lügendetektor emotionale Erregung misst, kann uns ein simuliertes Verbrechen nur dann sagen, wie genau der Detektor ist, wenn die gleichen Emotionen mit der gleichen Intensität erregt werden, wie es bei wirklichen Verbrechen der Fall ist. (Zu den drei Emotionen, die erregt werden können, wenn jemand lügt, siehe Kapitel 3.) Bei jeder dieser Emotionen kommt ein Faktor ins Spiel, der bestimmt, wie stark sie ist. Um die Genauigkeit des Lügendetektors festzustellen, wird im Folgenden die Auftretenswahrscheinlichkeit dieser Emotionen bei einer Verbrechenssimulation untersucht.
Die Furcht vor Entlarvung: Der wichtigste Faktor, der das Ausmaß der Angst eines Verdächtigen bestimmt, erwischt zu werden, ist die Frage, was dabei auf dem Spiel steht. Wie ich in Kapitel 3 vorgeschlagen habe, steigt die Furcht vor Entlarvung, je größer die Belohnung für den Erfolg und je härter die Bestrafung für ein Scheitern ist. Dabei spielt die Härte der Bestrafung vermutlich die größere Rolle. Sie wird die Angst der ehrlichen Person vor einer falschen Beurteilung genauso beeinflussen wie die Angst des Lügners vor der Entlarvung -beide werden an denselben Folgen leiden. Bei simulierten Verbrechen sind die Belohnungen gering, und niemand wird bestraft. Weder die ehrliche Person noch der Lügner sollten daher Angst vor einer
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