Ich weiss, dass du luegst
unschuldige Verdächtige, der aufgefordert wird, sich dem Test zu unterziehen, weiß ja, dass die Polizei einen schweren Fehler gemacht hat - einen, der womöglich bereits ihren Ruf beschädigt hat, weil sie ja ihn verdächtigt. Er hat bereits seine Erklärung abgegeben, warum er das Verbrechen nicht begangen hat, warum er es nicht getan haben konnte oder wollte. Offensichtlich traut ihm die Polizei nicht, obwohl sie es sollte. Während der Verdächtige den Test als eine willkommene Gelegenheit betrachten könnte, seine Unschuld zu beweisen, könnte er auch fürchten, dass diejenigen, die ihn fälschlicherweise verdächtigen, sich weitere Fehler erlauben werden. Wenn Polizeimethoden also fehlerhaft genug sind, um ihn zu verdächtigen, könnte ihr Lügendetektortest ebenfalls fehlbar sein.
Die Polizei ist unfair: Vielleicht konnte jemand, bevor er zum Verdächtigen in einem Verbrechen wurde, Beamte sowieso schon nicht ausstehen, oder er hat der Polizei misstraut. Gehört der unschuldige Verdächtige zu einer Minderheit oder zu einer Subkultur, die ihrer Verachtung gegenüber der Polizei freien Lauf lässt, befürchtet der Verdächtige wahrscheinlich, dass ihn der Prüfer beim Lügendetektortest falsch beurteilen wird.
Maschinen sind fehlbar: Natürlich kann man es für völlig angemessen halten, dass einen die Polizei bei Ermittlungen zu einem Verbrechen überprüft, das man nicht begangen hat. Doch selbst dann kann man dem Lügendetektor misstrauen, was in einem allgemeinen Argwohn gegenüber der Technik begründet sein kann. Möglicherweise ist man durch Zeitungsartikel oder Fernsehberichte beeinflusst, die den Polygraphen kritisieren.
Der Verdächtige ist eine ängstliche, von Schuldgefühlen geplagte, feindselige Person: Ein von vornherein ängstlicher oder von Schuldgefühlen gequälter Mensch kann stärker auf die speziellen, aktuellen und bedrohlichen Fragen reagieren. Das Gleiche gilt für jemanden, der im Allgemeinen feindselig ist, vor allem wenn er dazu neigt, wütend auf Autoritätspersonen zu reagieren. All diese Emotionen werden vom Detektor registriert.
Der Verdächtige reagiert, obwohl er unschuldig ist, emotional auf die Ereignisse, um die es in dem Verbrechen geht: Es sind nicht nur die Schuldigen, die auf die verbrechensrelevante Frage stärker emotional reagieren als auf die Kontrollfrage. Nehmen wir an, eine unschuldige Person wird des Mordes an einem Arbeitskollegen verdächtigt und war neidisch auf dessen schnelleren beruflichen Aufstieg. Jetzt, da der Konkurrent tot ist, könnte der Verdächtige Reue über seinen Neid empfinden, womöglich auch Freude, den Wettkampf «gewonnen» zu haben, Schuldgefühle wegen dieser Freude und so weiter. Oder stellen wir uns vor, der unschuldige Verdächtige war äußerst bestürzt, als er die blutige, verstümmelte Leiche seines Mitarbeiters fand. Als er zu dem Mord befragt wird, erweckt die Erinnerung an diese Szene jene Gefühle, aber er ist viel zu sehr Macho, um es zuzugeben. Vielleicht ist sich der Verdächtige all dieser Gefühle gar nicht bewusst. Beim Lügendetektortest wird der Verdächtige dann als Lügner entlarvt, was insofern stimmt, als er die primitiven Gefühle oder seine Macho- Attitüde verheimlicht und nicht etwa den Mord. Der Fall eines unschuldigen Verdächtigen, der den Lügendetektortest nicht besteht und des Mordes für schuldig befunden wird, wird im nächsten Kapitel dargestellt.
Befürworter der Anwendung der Kontrollfragentechnik bei der Ermittlung in Kriminalfällen erkennen einige dieser Fehlerquellen an, behaupten aber, dass sie selten in Erscheinung treten. Kritiker argumentieren, dass ein großer Teil unschuldiger Verdächtiger - die schärfsten Kritiker sprechen von 50 Prozent der Unschuldigen - emotional stärkere Reaktionen auf die relevante Frage als auf die Kontrollfrage zeigen. Wenn das geschieht, scheitert der Lügendetektor; es handelt sich dabei um einen Othello-Irrtum, bei dem einer ehrlichen Person nicht geglaubt wird.
Der Tatwissenstest
Der im letzten Kapitel beschriebene Tatwissenstest reduziert angeblich die Wahrscheinlichkeit, einen Fehler zu machen, der die Wahrheit bezweifelt. Um diese Befragungstechnik anzuwenden, muss der Lügenermittler Informationen über das Verbrechen haben, die nur die schuldige Person kennen kann. Angenommen, niemand außer dem Arbeitgeber, dem Dieb und dem Prüfer kennen den genauen Betrag, der gestohlen wurde, und dass es sich ausschließlich um 50-Dollar-Scheine handelte. Beim
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