Ich weiß, ich war's (German Edition)
– nicht nur, aber das war schon ein Donnerschlag damals. Da habe ich mit 16 beim WDR in der Kinderredaktion einen Super-8-Film vorgeführt, den ich mit meiner Oberhausener Amateur Film Company gedreht hatte. Der Film ist eine Komödie, heißt »Mami, wir drehn ’nen Film« und handelt von einem Mann, der mit seiner Familie einen Film dreht. Die Dreharbeiten laufen komplett schief, ein totales Desaster, am Ende während der Kinovorstellung explodiert das ganze Haus und die Oma sitzt im Rollstuhl und sagt: »Hans, Hans, du musst aber auch immer alles übertreiben.« Das ist der letzte Satz des Films.
Den hab ich also beim WDR vorgeführt, dann ging das Licht an – es war eine Stimmung wie im Eiskeller – und ein Redakteur stand auf und sagte: »Ich weiß nur eins, wenn ich den Film sehe: Du wirst in deinem Leben niemals einen Menschen lieben können. Denn du hast dich nicht für die Personen interessiert.« Das war natürlich gerade in der Pubertät ein Hammerschlag: Du wirst niemals einen Menschen lieben können?
Da habe ich so gekämpft in meinen ersten Beziehungen, weil ich dachte, ich bin wahrscheinlich gar nicht aufrichtig. Ich weiß gar nicht, wie lieben geht. Wer bringt mir das jetzt bei? Das Sexuelle ist das eine, aber wer bringt mir bei, einen Menschen zu lieben? Und diese Unsicherheit ist im Großen und Ganzen auch geblieben. Vielleicht weil ich so viele widersprüchliche Gefühle in mir habe: Es gab eben auch diese Abneigung gegenüber vielem auf der Erde, eine gewisse Unlust, am Leben teilnehmen zu müssen, manchmal sogar einen gewissen Ekel, aber gleichzeitig war da auch immer das Gefühl, dass diese Welt so wunderschön und toll ist, dass es so großartig ist, hier sein zu dürfen – eine komische Zwiespältigkeit war das in mir. Und in dieser Zwiespältigkeit habe ich mir selbst nicht getraut. Wenn du nicht weißt, wie lieben geht, dann kann doch auch dich niemand lieben. Und immer wieder habe ich nach dem Punkt gesucht, wo ich lieben kann. Ohne Ambivalenz.
Aber solange man so etwas unbedingt will, wird’s ja nix. Entweder man liebt oder man liebt nicht. All dieses Durcheinander hat mir eigentlich erst Aino genommen, damals im Krankenhaus, als ich sie wegekeln wollte, sie aber geblieben ist. Nur gesagt hat: »Ich bleibe, weil ich dich liebe.«
(2. Februar 2010, Interview mit Gero von Boehm)
Ich glaube, ich bin gestern eingeschlafen beim Erzählen. Also es war wirklich eine unglaublich schöne Hochzeit. Man kann es nicht beschreiben, so schön war’s.
Und das ist auch das Bild gewesen, was ich als Hoffnung und als Glück in mir hatte. Nämlich dass ich jetzt mit meiner Frau ein ganzes Leben vor mir habe, egal wie kurz es sein wird, dass ich mit meiner Frau diese Reise mache, Flitterwochen, und dass ich dann zurückkomme, in die Röhre gehe und mal gucke, ob diese Tablette noch wirkt oder nicht mehr wirkt. Tja, und dann kam halt der Tag. Da sah man eben, dass meine ganze rechte Lunge wieder voll ist mit diesen weißen Wölkchen. Also voll mit Metastasen, so viele, dass man sie kaum zählen kann.
Ich hoffe trotzdem, dass sich alles zum Guten entwickelt. Schließlich habe ich diese Wölkchen schon mal wegbekommen.
Es ist der 17. September, ich sitze gerade im Zug und fahre nach Osnabrück, um Henning Mankell zu treffen. Der bekommt dort gleich den Friedenspreis. Das hat er mir erzählt, als wir uns vor ein paar Tagen in München bei der Wiederaufnahme von »Mea Culpa« gesehen haben. Das ganze Team zu treffen war toll, und in zwei Tagen 5000 Zuschauer, ein Riesenerfolg, das war echt der Wahnsinn. Klaus Bachler, der Intendant, war auch glücklich und hat mir für 2012 den »Tristan« angeboten. Und mich gefragt, ob ich nicht nächstes Jahr in dem neuen Gebäude, das von dem Architekturbüro Coop Himmelblau vor der Oper aufgebaut werden soll, die Eröffnung der Münchner Opernfestspiele machen könnte. Auch toll. Vor allem weil ich hoffe, dass ich das kombinieren kann mit der Arbeit in Burkina Faso.
Ich rede jetzt gerade so schnell, damit alles raus ist an Infos. Denn die Hauptinfo ist eigentlich, dass ich gerade ziemlich abstürze. Als ich in München rauskam auf die Bühne – die Leute haben echt nur noch frenetisch geklatscht und gejubelt und getrampelt –, war das für mich wie ein Abschied. Ich habe das gespürt, beim Blick in das Dunkle: Die Leute haben mich verabschiedet. Ich meine: Was sollen sie auch denken? Überall, wo ich hinkomme: Christoph, du Armer, wie sieht’s aus bei dir?
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