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Ich weiß, ich war's (German Edition)

Ich weiß, ich war's (German Edition)

Titel: Ich weiß, ich war's (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief , Aino Laberenz
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Theater. Ein Feuer für all die Menschen in der Welt, die täglich auf Erlösung hoffen, hatte ich schon in »Tunguska« entzündet, meinem ersten längeren Film. Solche Symbole sollen uns ja auch später noch in der Endphase helfen, in meinem Fall natürlich vor allem christliche Symbole, es gibt auch muslimische oder was weiß ich, klar. Jedenfalls ist die Frage, ob sie einem wirklich helfen, ich selbst zweifele mittlerweile sehr daran, weil solche Bilder letzten Endes doch nur Menschen mit diesen Hundeaugen zeigen, die zum Himmel gucken in der Hoffnung, es würde irgendwas passieren. Was ist eigentlich aus dem schönen, flotten Jesus in den Katakomben von Rom geworden? Der lacht ja da auf diesen Wandmalereien, der hat ein weißes Gewand an, der ist glücklich mit sich und macht Witze und Scherze und haut den Pharisäern im Tempel die Tische um – und wundert sich, dass sie ihn scheiße finden …
    Aber egal: Jesus lacht sich offensichtlich kaputt den ganzen Tag und hat jede Menge Spaß mit seinen Freunden. Und dieser Mann wird später nur noch als Trauerkloß dargestellt, Blut hier und Knochen da, ein Hängebackentyp, der mit dürren Beinchen und völlig abgemagert am Kreuz hängt und leidet. Das ist alles schrecklich mühsam, finde ich. Es soll ja keiner lustig sein beim Sterben, aber man kann doch nicht von hier abhauen, wenn man denkt, jetzt komm ich in so eine Trauerveranstaltung rein und hab nur gebrochene Knochen wie im Xantener Dom vor mir.
             
»Passion Impossible: 7 Tage Notruf für Deutschland. Eine Bahnhofsmission«, 1997. Gottesdienst auf dem Vorplatz des Hamburger Hauptbahnhofs
    Da bin ich groß geworden, ja. Im Xantener Dom. Also das heißt, ich war mehrmals in meinem Leben im Xantener Dom, a) weil meine Eltern da immer hingefahren sind, und b) wegen des römischen Kastells, das wir im Griechischunterricht nachgebaut haben. Ja, ich hatte Griechisch, ich habe auch das große Latinum, aber das hat ja nichts genutzt. Ich kann nämlich deshalb weder Englisch noch Französisch, weil ich Griechisch und Latein gelernt habe. Und weil mein Englischlehrer nach einem halben Jahr Unterricht stocktrunken in eine Baugrube fiel und sich dabei sämtliche Knochen brach. Er konnte also nicht mehr kommen. Stattdessen kam ein Französischlehrer, der machte so ein bisschen halbherzig Französisch mit uns, das war nicht so toll. Und ich war sowieso gegen die Franzosen damals, weil ich gelesen hatte, dass es junge Historikerinnen gab, die behaupteten, dass das Mutterkorn die Revolution in Frankreich ausgelöst habe. Mutterkorn, Ernst Jünger – das ist Ihnen sicher alles bekannt. Trotzdem vorsichtshalber ganz kurz: Dieses Mutterkorn ist eine Art Schimmel und die Grundlage von LSD. Das LSD hat Albert Hofmann (der hat’s erfunden) dann mit Ernst Jünger zusammen gelutscht oder gegessen, was weiß ich. Jedenfalls haben die beiden da ein bisschen herumexperimentiert. Dadurch sind dann diese Werke entstanden, in denen es immer um das Hier geht und das Doch-nicht-hier, um das Insekt, den Mond, die Sterne, erst ganz klein, plötzlich ganz groß und dann ist wieder alles ganz klein usw.
    Na ja, dieser Ernst Jünger, der hat bei mir noch nicht so richtig gezündet – vielleicht lerne ich seine Sachen mal besser kennen. Mal sehen. Er soll jedenfalls die letzte Zeit in seinem Leben, genau wie Mozart, jeden Morgen eine halbe Stunde in Eiswasser gebadet haben, hat man mir erzählt. Das imponiert mir sehr. Das könnte ich auf keinen Fall. Das würde ich selbst bei lebensverlängernden Aussichten nicht machen. Aber ich wollte ja eigentlich etwas zum Mutterkorn erzählen. Also: Das Mutterkorn ist ein Getreidepilz, der ein bisschen high und aggressiv macht. Und das habe dann die Französische Revolution hervorgerufen, nichts weiter, sagten diese Historikerinnen. Deshalb war ich gegen Frankreich. Weil ich Revolutionen nur mag, wenn man sie bei vollem Bewusstsein macht. Obwohl Staatenbildungen – das hat mir Alexander Kluge erzählt – nur stattfinden, wenn man im Vollrausch ist. Das heißt, ein Staat bildet sich nie, wenn man sachlich am Tisch sitzt und sagt, mit dir mache ich einen Staat, irgendein sinnloses Brimborium veranstaltet, so, jetzt sind wir ein Staat. Das wird nichts. Die Leute gehen auseinander und am nächsten Morgen ist alles für die Katz. Nein, man muss saufen, saufen, saufen dabei, und am nächsten Morgen, wenn man mit einem dicken Schädel aufwacht, wundert man sich dann, dass man einen Staat

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