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Ich weiss, wie du tickst: Wie man Menschen durchschaut (German Edition)

Ich weiss, wie du tickst: Wie man Menschen durchschaut (German Edition)

Titel: Ich weiss, wie du tickst: Wie man Menschen durchschaut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Betschart
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erinnere mich an einen berühmten Schauspieler, der von einem Journalisten im Fernsehen gefragt wurde, warum er nicht damit aufhöre, Alkohol zu trinken, obwohl er wisse, dass seine Gesundheit und seine Karriere sehr stark gefährdet seien. Die Antwort des Schauspielers lautete: «Ja, wissen Sie, mein Arzt hat mir genau erklärt, wie mein Gehirn strukturiert ist. Es ist so und so aufgebaut mit den und den Vernetzungen innerhalb der Gehirnbereiche … (er nannte viele Einzelheiten), und darum fällt es mir so schwer, mit dem Trinken aufzuhören.» Eine solche Ansicht ist natürlich ein Loser-Programm, eine Verliererstrategie ersten Ranges! Ist schon Alkoholismus eine ganz schlimme Loser-Strategie, so ist es die bequeme Ausrede, das Gehirn erlaube aufgrund seiner individuellen Struktur keine Veränderungen der eigenen Verhaltensweisen, erst recht. Nur wenige Monate nach dem Interview wurde im Fernsehen gezeigt, wie der Schauspieler, unfähig zu sprechen, in einem Rollstuhl in ein Pflegeheim gefahren wurde, wo er zwei Jahre später an den Folgen seiner Alkoholkrankheit verstarb.
    Das Gehirn und seine materielle Struktur können wir gewiss nicht als Vorwand benutzen, um uns nicht ändern zu wollen, um schlechte Angewohnheiten zu pflegen oder Verliererprogramme weiter passiv in uns ablaufen zu lassen (mehr zu diesem Thema in Kapitel 6). Wir haben immer die freie Wahl und die Möglichkeit, uns positiv oder negativ zu verändern. Darum ist auch der Untertitel des Buches «Drei Hirne im Kopf» von Piet Vroon «Warum wir nicht können, wie wir wollen» leider irreführend, weil er den freien Willen des Menschen infrage stellt (was übrigens der Inhalt des Buches nicht tut).
    Am besten ist es, wir konzentrieren uns im Folgenden im Hinblick auf unser Ziel, die Selbst- und Menschenkenntnis zu vertiefen, auf das Verhalten und betrachten Parallelen zum Gehirn und seiner evolutionsgeschichtlichen Entwicklung in erster Linie als hilfreiche Analogie .
«Was der Mensch wird, entscheidet zu ca. 50 % die Erbanlage. Was er daraus macht, entscheidet der Mensch selbst. Wir sind nicht für unsere Veranlagungen … verantwortlich, wohl aber dafür, wie wir damit umgehen» (Gsell 2009, S. 191).
    Woher das Ticken kommt – der Ursprung unseres Verhaltens
    Die Wissenschaft hat festgestellt, dass viele Verhaltensweisen angeboren zu sein scheinen, aber insgesamt ist jedes Verhalten das Ergebnis der Wechselwirkung von genetischer Anlage einerseits und Umweltfaktoren andererseits. Zu den Umweltfaktoren gehört ganz wesentlich die Erziehung. Das Verhalten der meisten Menschen ist sehr stark konditioniert, also antrainiert, und das seit der Kindheit. Das heißt, viele Menschen verhalten sich nicht so, wie sie ihrer wahren Natur nach sind , sondern sie erfüllen mehr oder weniger unbewusst «Vorgaben» ihrer Eltern oder Lehrer, wie sie sein sollen .
    In der Schule und von den Eltern wird uns scheinbar «richtiges» und «gutes» Verhalten vorgegeben. «Richtig» heißt aber meist nur: erwünscht und vielfach auch bequem für Erziehende, nicht unbedingt aber förderlich für die kindliche Persönlichkeit, die sich ihren Anlagen gemäß – und nicht fremden Erwartungen gemäß – entwickeln möchte. Das kann man schon in der Schule an den Zeugnissen erkennen. In der Notenspalte für «Verhalten» werden rotdominante Kinder, die von Natur aus sehr lebhaft sind, häufig getadelt: «Ist frech, stört den Unterricht», heißt es da oft. Bei Gründominanten, die besonders den sozialen Kontakt zu anderen suchen, steht im Zeugnis oft: «Ist schwatzhaft und kommt häufig zu spät.» Als «vorbildlich» im Sinne des Schulsystems gelten nur die blaudominanten Kinder, weil diese sich meist still beschäftigen können und außerdem für Faktenwissen sehr aufgeschlossen sind. In meinen Zeugnissen stand häufig: «Martin träumt manchmal stundenlang vor sich hin. Ist er müde?» Müde war ich nicht, aber mein privates «Programm» war erheblich spannender als der langweilige Schulunterricht, von dem ich mich als rotdominantes Kind nicht angesprochen fühlte.
Wir sollten uns davon frei machen, Verhalten als «richtig» oder «falsch», als «gut» oder «schlecht» zu beurteilen, wie wir es aus dem Elternhaus, der Schule und dem Ausbildungssystem gewohnt sind. Das gilt vor allem für das Verhalten unserer Mitmenschen. Sie haben etwas Besseres verdient! Wir müssen unsere Mitmenschen nur verstehen, wir müssen sie weder be- noch verurteilen, noch müssen wir sie

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