Ich werde schweigen Kommissar Morry
ziehen. Man wollte keine Schwierigkeiten mit der britischen Regierung haben. Aber hier wird es nun wieder losgehen, verstehst du? Die Yardpolizei wird uns keinen Moment zur Ruhe kommen lassen. Ich werde der erste sein, dem sie die Handschellen anlegen. Diese verfluchten Blumen... diese Tungasblüten . . .“
Richard Donally sprang erregt von seinem Stuhl auf.
„Ich dachte, du bist unschuldig“, rief er laut. „He, bist du nun schuldlos oder nicht?“
Irving Bacon lallte ein paar unverständliche Worte. Erneut begannen seine Hände nervös zu flattern. Das hagere Gesicht war grau wie Asche.
„Ich verlasse noch heute Nacht meine Wohnung“, brach es aus ihm hervor. „Ich habe schon ein neues Quartier. Ich lasse dir hier meine Adresse zurück. Aber du wirst sie niemandem verraten, hörst du? Du wirst schweigen.“
Richard Donally zögerte ein paar Herzschläge lang. Dann schämte er sich plötzlich seines häßlichen Verdachts.
„Ja, ich werde schweigen“, sagte er leise.
4
Auf dem Schreibtisch türmten sich ganze Berge von Akten, als Kommissar Morry an diesem Mittwochmorgen sein Dienstzimmer betrat. Er fand kaum Platz, seine Arme aufzustützen. Überall lagen Papiere und Schriftstücke herum.
„Ich ertrinke noch in dieser Flut“, stöhnte Morry und griff nach dem Telephonhörer. „Hallo!“, rief er ärgerlich in die Muschel. „Wo bleibt denn nun der neue Mann, den Sie mir als Assistent in Aussicht gestellt haben?“
„Ist schon unterwegs zu Ihnen, Sir! Der Mann heißt Hilfsinspektor Puck und war bis jetzt der Interpol zugeteilt. Er sieht ein wenig dämlich und schüchtern aus. Aber sonst scheint er ein ganz brauchbarer Bursche zu sein . . .“
Kommissar Morry hatte kaum den Hörer aufgelegt, da klopfte es auch schon an der Tür. Als sie sich öffnete, trat ein bleichgesichtiger Mensch mit dünner Nickelbrille, blondem Schnurrbärtchen und hellen Haaren über die Schwelle. Er machte einen etwas hilflosen Eindruck. Schüchtern und verlegen blickte er auf den berühmten Kommissar.
„Ich habe Sie mir viel älter vorgestellt, Sir“, murmelte er, während er das gebräunte, sportlich straffe Gesicht des Kommissars musterte. „Ich bin Hilfsinspektor Puck und von heute an Ihrem Befehl unterstellt.“
„Gut, daß Sie kommen“, lächelte Morry. „Ich brauche dringend einen Mann, der mich in der Mordsache Mark Vereston entlastet. Haben Sie schon davon gehört?“
Hilfsinspsktor Puck nickte. „Ich las gestern die Protokolle“, stotterte er, „aber ich glaube nicht, daß ich für eine solch große Sache geeignet bin. Vielleicht nehmen Sie lieber einen anderen, Sir!"
„Nein, nein“, sagte Morry rasch. „Bleiben Sie nur! Ich bin froh, daß ich Sie habe. Sie werden mich später in die Navarra-Bar begleiten. Wir wollen mal diesen Abgeordneten etwas auf den Zahn fühlen. Bisher schwiegen sie hartnäckig auf alle Fragen. Ich glaube jedoch, daß man eine ganze Menge von ihnen erfahren könnte, wenn sie endlich den Mund auftäten.“
Nach kurzer Pause fügte er hinzu: „Haben Sie schon von dieser roten Blume gehört?“
„Sie meinen die Tungasblüte, Sir? Diese sichelförmigen Blütenblätter, die man bei dem Toten fand?“
„Hm!“
„Ich habe mich bereits darüber informiert, Sir, daß diese Blüten nur in Brasilien Vorkommen. Es ist also wahrscheinlich, daß einer der Abgeordneten sie von dieser mysteriösen Reise mitbrachte . . .“
„Warum nur einer?“, murmelte Morry. „Es können auch mehrere im Besitz solcher Blumen sein. Das sollen Sie eben herausbringen, Mr. Puck! Es wird keine leichte Aufgabe sein. Aber Sie werden es schon schaffen.“
Noch am gleichen Abend führte Kommissar Morry seinen neuen Mitarbeiter zum ersten Mal aus. Er nahm ihn in die Navarra-Bar mit. „Diese Bar“, murmelte er gedämpft, „war früher das Stammlokal unserer Schäfchen. Aber seit ihrer Rückkehr aus Brasilien lassen sich diese Burschen nur noch selten hier blicken. Wenn wir Pech haben, treffen wir keinen einzigen an.“
Sie schleuderten durch die Tischreihen und näherten sich der Bartheke, hinter der Daisy Hoorn mit strahlend blonden Haaren und kunstvoll angemaltem Gesicht nach zahlungskräftigen Kunden Ausschau hielt. Aber ihre Augen blickten nicht so hell wie sonst. Der jähe Tod Mark Verestons schien noch immer ihr Gemüt zu verdüstern. Als sie den Kommissar erkannte, schoß ihr eine helle Röte ins Gesicht. Erschreckt sah sie den beiden Beamten entgegen, und nervös hantierte sie an
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