Ich will doch nur normal sein!
Helga
(Helga ist Sept. 2008 verstorben, sie war so stark, doch ihre Krankheit hat gewonnen, ich werde sie nie vergessen)
Ich lag bereits im Schlafzeug im Bett und war total erschlagen vom Tag und es freute mich, dass Helga mir diesen Zettel nach so einem schrecklichen Tag brachte. Gestern noch war ich im Zweifel wegen dem Buch, als ich den FB immer im Kopf hatte und an kein Ende, keine Besserung glaubte. Ich sah mich und sehe mich als schuldig und kann mich schlecht mit dem geschriebenen identifizieren und nun dieser Zettel, dieses kurze „danke“ dafür. Wir blieben noch eine Weile schweigend beieinander. Helga saß am Boden neben meinem Bett und ich lag im Bett. Als sie ging, war ich einfach eingeschlafen. Einfach so. Ohne Angst vor der Nacht, ohne Angst vor einem FB. Ich schlief bis 10 Uhr nächsten Morgen, endlich einmal.
21.04.2004
Als ich aufstand war diese Stimmung, nicht mehr leben zu wollen weg. Ich hatte aber noch diese unheimlichen Schmerzen, aber diese Aussichtslosigkeit, diese Hoffnungslosigkeit – sie waren weg. Es war ein neuer Tag und ich dachte, wie konnte ich gestern wieder einmal daran denken mit mir Schluss zu machen und heute ist kein Gedanke mehr daran. Hätte ich es gestern getan, ich hätte nicht die Chance gehabt, heute zu sehen, dass ich eine ganz andere Stimmung habe und das schon am nächsten morgen. Ich will leben.
Ich finde es immer wieder schlimm, hinterher darauf zu blicken, dass es hätte passieren können, wenn ich nicht hier gewesen wäre. Aber ich war hier und bin froh, dass ich dieses mal wieder hier war und nicht zu Hause. Herr Dr. S. sagte gestern noch, dass dies nur eine vorübergehende Stimmung sei und es mir nicht lange so ginge. Ich habe das gehört und gedacht, er kann mir viel erzählen. Ich habe es nicht geglaubt, habe nicht daran geglaubt, dass es jemals wieder anders wird.
Der heutige Tag war nicht mit Todessehnsucht und Gedanken, mich umzubringen verbunden. Und doch hatte ich sehr starke Schmerzen. Trotzdem habe ich versucht am Morgen solange, wie ich kann zu schlafen, weil es einfach wichtig war, um wieder etwas Kraft zu bekommen. Ich lag noch im Bett, da bekam ich schon Besuch von Ute, einer lieben Freundin (ehemalige Mitpatientin von vor 2 Jahren), sie blieb bis zum Mittagessen und ich wusch und zog mich an und wir redeten über dies und das und über meinen Umzug in die neue Wohnung und meine Angst, wie ich das trotz meinem Krankenhausaufenthalt schaffen soll. Es sind viele, die mir helfen wollen und ich brauchte mir keine Sorgen zu machen, sagte sie. Ich habe gestern an keinen Umzug gedacht. Ich wollte gestern gar nichts mehr. Heute rede ich wieder darüber in den nächsten Wochen umzuziehen.
Nach dem Essen sind wir noch einen Kaffee trinken gegangen, dann musste Ute weg, sie hat 15.00 Uhr Einzel und um 16.00 Uhr wieder einen Dialysetermin. Dreimal die Woche muss sie an die Maschine.
Das Einzel war heute anders. Ich erzählte, dass ich gut geschlafen habe und dass die Stimmung von gestern verändert sei und ich mich nicht geschnitten habe. Herr Dr. S. sagte, er freue sich sehr darüber, dass es mir heute besser gehe und dass diese Veränderung wieder so unwahrscheinlich schnell vor sich gegangen ist. Ich sagte, heute ist alles weit weg, ich habe nichts davon in meinem Kopf.
Was mir nicht gefällt, sind diese starken Kopfschmerzen und die Schmerzen, die ich kaum aushalten kann und mit der gestrigen Stimmung nicht aushalten könnte. Ich verstehe sie nicht und weiß nicht, warum sie da sind, aber ich hasse diese Schmerzen. Nach dem Einzel bin ich noch auf eine Tasse Kaffe und ein Stück Bienenstich in die Cafeteria gegangen. Habe mich allein an den Tisch gesetzt und mich ein bisschen umgesehen. Ich tue das gerne, das Leben beobachten um mich herum und meine Ruhe haben. Manchmal bin ich auch neidisch und denke, ich möchte mich auch so fühlen, so lachen können, so plaudern können, so frei sein. Später habe ich dann draußen in der Sonne auf der Bank noch etwas in einem Krimi gelesen, konnte mich aber nicht darauf einlassen und habe dies dann aufgegeben.
17.20 Uhr bekam ich so starke Schmerzen, dass ich fast heulen musste. Ich bin hoch auf Station und habe mir 2 mg Tavor Expedet geben lassen. Zum Abendessen ging es mir plötzlich so schlecht, ich wusste nicht, wie mir geschah, ich saß auf einmal am Tisch und weinte – warum, wusste ich mal wieder nicht. Es hat mich einfach überfallen. Die Schwester brachte mich in mein Zimmer und blieb noch eine
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