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Ich will doch nur normal sein!

Ich will doch nur normal sein!

Titel: Ich will doch nur normal sein! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina J.
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ich nicht.
    Da ist nur Traurigkeit und Enttäuschung, weil ich nicht so bin, wie die anderen Mädchen. Aber merken tut das keiner, da passe ich schon auf. Ja, wenn ich da nicht so gut aufgepasst hätte, dass es keiner merkt, dann wäre es mir wahrscheinlich besser gegangen. Es ist schon ein Trauerspiel, dass hauptsächlich die Scham und dann aber auch die Angst verhindern, dass es aufhört und man endlich etwas sagt.
    Es ist eine ganze Weile her, da war ich mal wütend wegen all dem und es war ein gutes Gefühl. Doch die Angst, die immer noch gegenwärtig ist, die mich fast ersticken lässt, die mich Hände am Hals spüren lässt, die mich würgen, haben die Wut nicht mehr zugelassen. Und ich muss sagen, ich vermisse sie, vermisse sie sehr. Sie hat mich stark gemacht, mich sicher gemacht und mir war da auch klar, ich konnte nichts dagegen tun, rein gar nichts. Ich hatte keine Schuld, dass mir das alles passiert ist. Auch die Schmerzen waren weg, als ich die Wut hatte, sie spüren konnte. Nun ist das alles wieder unterdrückt, durch diese anderen Gefühle, die stärker sind und die ich besser kenne, mein Leben lang kenne. Ich schäme mich wieder, fühle mich wieder schuldig.
    Ich sage im Einzel wieder, wie es mir geht und das ich denke, es hört sowieso nie auf und das ich einfach nicht mehr die Kraft habe, es noch weiter durchzustehen. Herr Dr. S. fragt mich, ob ich meine, dass es noch unendlich viele FB gäbe. Ich sagte dazu nur, es waren 10 Jahre mit meinem Opa und was weiß ich schon von den 10 Jahren, es wird ein Minimum sein und ich will nichts mehr wissen, will keine neuen FB mehr erleben. Habe es satt und habe Angst. Mir geht es doch schlecht genug. Lieber will ich nicht mehr leben und in meinem Kopf habe ich das Ziel Schluss zu machen schon vor Augen. Ich muss nur noch hier raus. So denke ich. Ich sitze vor Herrn Dr. S. und hoffe, dass das Einzel bald vorbei ist. Ich will nicht hören, wie weit ich schon gekommen bin, was ich schon geleistet habe, was ich Schweres durchgemacht habe. Ich will das alles nicht mehr hören. Was weiß ich denn ob der Vorrat an FB unerschöpflich ist, ich weiß es nicht, will es nicht wissen. Ich will meine Ruhe, will mich nicht mehr schämen müssen vor mir.
    Ich sagte noch: Wo ich dann zu meinem leiblichen Vater gekommen bin und es weiter passierte, das war nichts Besonderes, das war nur das „Normale“ und einer mehr. Es war so scheißegal. Ich konnte es nicht verhindern, dabei war ich 13 und dann 19 und dann 23 Jahre alt und es passierte.
    Heute sagte ich, dass ich nicht mehr will und zum Schluss des Einzels kam dann die Frage, ob ich morgen früh noch da bin und ob er sich darauf verlassen kann, dass ich mir nichts antue. Ich antwortete, wenn dann tue ich es nicht hier, nicht, solange ich hier bin. Das würde ich der Klinik nicht antun. Herr Dr. S. meinte, er hätte große Achtung vor mir. Ich war wütend und sagte darauf: „Quatsch, Sie haben mich nicht gesehen, wie ich ausgesehen habe. Haben Sie auch Achtung davor, wie gut ich war?“
    Er sagte mir, dass ich dies ja tun musste, gezwungen war dazu, dies unter Foltermethoden alles beigebracht bekommen habe und unter panischer Angst immer meine Aufgaben erledigte. Es sei vorbei und jetzt kommt das neue Leben, ich stehe kurz davor und er wolle das mit mir erleben und würde sich freuen, dies mit mir zu erreichen. Ich sagte wieder: Ich kann so tun, als wenn es mir gut geht, aber es wird kein neues Leben. Was wird denn besser? Es geht mir nicht gut. Es geht mir beschissen.
    Er sagte, ich verspreche ihnen, es wird sich verändern. Zum Schluss kam dann: „Bis morgen? Ohne umbringen?“ In meinem Zimmer an meiner Merktafel hängt der Vertrag, dass ich mir nichts antue, solange ich die Therapie mache und daran werde ich mich halten – es ist ein Vertrag und ich habe es versprochen, war meine Antwort. Gedacht habe ich, „Ich muss nur hier raus, dann bin ich nicht mehr daran gebunden.“ Dann bin ich hoch in mein Zimmer und habe nur noch geheult und war verzweifelt, müde und kaputt. Abends kam dann Helga zu mir ins Zimmer, ich habe ihr die ersten 30 Seiten meines Buches zum Lesen gegeben, um zu wissen, wie sie es liest und findet. Sie brachte mir später einen Zettel mit, darauf stand:

    Danke Tina!
    Für Dein Vertrauen.
    Für Deine Geschichte, die mich wieder an mich glauben lässt.
    Für Deine Geschichte die mich in meiner Geschichte weiter kommen lässt.
    Für den Mut, den du mir gibst durch Deine Geschichte.
    Danke!

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