Ich will doch nur normal sein!
habe es satt mich so zu quälen! Ich kann einfach nicht mehr bin nur noch müde und will nicht mehr dieses Leben führen müssen. Ich weiß, wie ich war, was ich war und ich schäme und ekle mich heute so sehr dafür. Ich möchte, dass mich alle nur noch in Ruhe lassen.
Herr Dr. S. saß heute Morgen (ich habe die letzte Nacht nicht eine Minute geschlafen – ich hatte Angst davor) in meinem Zimmer und redete mit mir. Ich lag im Bett und wollte nichts mehr hören, wollte nicht mehr leben. Ich dachte, soll er doch reden. Und ich sagte sogar, wenn ich es tun würde, dann nicht hier. Ich nahm mir vor, so zu tun, als ginge es mir gut um mich entlassen zu lassen, damit ich endlich Schluss mit mir machen kann. Ich kann und will nicht mehr. Es hört nie auf, nie! Da kann er mir erzählen, was er will. Ich merke es doch am besten, wie es mir geht und spüre, was auftaucht und mich quält und es geht schon so lange so und ständig bekomme ich gesagt, es wird besser. Es geht voran. Ich fühle mich nicht besser, ich fühle mich beschissen, so beschissen, dass ich nicht mehr leben will. So will ich nicht leben.
Es ist Vormittag, gleich ist Visite auf Station, ich muss mich fertig machen dafür. Ach Quatsch, es gibt nichts fertig zu machen. Ich bin so blöd, jedes Mal, wenn ich aus dem Zimmer gehe, schaue ich erst noch einmal in den Spiegel, damit man mir nicht ansieht, wie es mir geht und, dass ich ordentlich aussehe. Sollte mir doch eigentlich völlig egal sein. Ist es aber nicht. Es steckt so drin. Es ist die Selbstkontrolle von Kindheit her. „Man darf mir nichts anmerken, keiner darf sehen, was gerade passiert ist.“ Nur ist jetzt nichts passiert und wird jetzt nichts passieren. Aber ich kann einfach nicht anders, ich muss immer noch aufpassen, dass nach außen alles in Ordnung ist – innen kann keiner sehen, da sieht keiner, wie es mir geht.
Na ja, dann also auf zur Visite. Da sitzen alle Therapeuten und Ärzte in einem Raum und man wird reingerufen. Diese Situation ist für die meisten schlimm und sie sind vorher aufgeregt und unruhig. Manchmal amüsiere ich mich darüber, wie aufgeregt die sind, wo doch da drin gar nichts passiert. Ich bin da ausgeschaltet, kein bisschen unruhig, aber ich bin dann auch meist wie ein kleines Mädchen, fühle mich so und verhalte mich so. Ich weiß das und merke das und versuche dann, wie üblich die Erwachsenen-Rolle so gut, wie möglich zu spielen. Also, auf zur Visite. Heute ist der Chefarzt sowieso nicht da und der Oberarzt ist mein Therapeut, umso besser, da bin ich schnell wieder draußen. Sonst bin ich auch immer sehr schnell wieder draußen, weil ich da kaum etwas sage, nur wenn es mal um eine Medikamentenfrage geht. Was soll ich sonst in so einem Rahmen sagen. Ich will nicht, dass noch mehr etwas von mir erfahren. Will nicht vor noch mehr Leuten über meine Probleme reden müssen, es reicht, wenn ich im Einzel rede und da schäme ich mich schon genug. Klar, es ist eine Illusion, wenn ich denke, dass die nichts von mir wissen, es wird ja vor dem Hereinrufen jedes Patienten über dessen Fall und Entwicklung während der Therapie gesprochen. Aber ich will da nicht dran denken. Ich weiß nur, dass mich die Ärztin und die anderen Therapeuten immer besonders lieb grüßen. Manchmal frage ich mich: „Wieso? Wer von denen kennt mich denn richtig, die kennen mich doch nur vom Sehen auf dem Flur.“ Aber klar, sie wissen mehr über mich, als mir lieb ist und deshalb sind sie so freundlich zu mir. Ist mir das recht? Ich weiß es nicht. Die letzten 4 Jahre war ich so oft und so lange hier, dass ich fast zum Inventar gehöre, das ist mir nicht recht. Also, die Visite war kurz, ich bin rein, bin begrüßt worden und bin wieder raus. Das war’s.
Jetzt ist gleich Mittag. Hunger habe ich nicht, aber in letzter Zeit esse ich wieder viel mehr wie sonst. Ich hatte gut abgenommen und nun sind schon wieder 6 kg drauf. Ich habe kein Gefühl, ob ich satt bin und bekomme auch manchmal richtig Heißhunger auf Süßigkeiten. Ich hasse das.
Nun noch um 13.30 zur Massage und Wärme, danach dann um 16.oo Uhr zum Einzel. Ich weiß nicht, was ich heute im Einzel soll, ich will nicht mehr und mir geht es so schlecht. Ich habe Schmerzen und mir ist kotzübel und dann ständig dieser Kloß in Hals. Aber wozu soll ich das sagen, es ist doch immer so und ich könnte es schon singen, aber ich denke, ich brauche das gar nicht mehr zu sagen – ich habe es gestern und die letzen 4 Jahre gesagt und habe es satt
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