Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich will doch nur normal sein!

Ich will doch nur normal sein!

Titel: Ich will doch nur normal sein! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina J.
Vom Netzwerk:
passiert, was ich so noch nicht hatte. Ich sehe mich als Kind und was alles passiert ist und es erschlägt mich einfach. So war es noch nie. Ich war sonst klein und wenn ich wieder groß war, konnte ich es wegdrücken. Ich habe immer noch getrennt zwischen Kind und mir jetzt. Nun sehe ich, dass ich es war. Es ist nicht mehr die Kleine, sondern ich bin es und ich weiß, ich muss damit fertig werden.
    Wo soll ich die Kraft hernehmen?
    Jetzt ist alles was ich so schön nach und nach wieder weg sortiert habe und, als wäre es nicht geschehen, gemacht habe, zusammen da und ich stehe mitten drin. Ich kann nicht sagen, wie es mir geht. Es ist nicht zu beschreiben, nicht zu erklären. Aber ich habe das Gefühl, als wäre ich mit Blei gefüllt, schwarz und schwer, grausam und schwer. Ich weiß wirklich nicht, wieso ich noch existiere und ich weiß nicht, wie es weitergehen soll, wie ich das aushalten soll und kann.
    Herr. Dr. S. sagte mir, dass dies der wichtigste Tagesbericht meiner gesamten Therapie sei und ich ihn mir gut aufheben solle. Warum? Ich weiß nicht. Ich kann nur darin lesen, wie schlimm und schlecht es mir geht und ich nicht weiß, wie ich weiter zurecht kommen kann.
    Später erkenne ich:
    Er hat Recht. In diesem Tagesbericht erkenne ich meine Geschichte im Zusammenhang. In diesem Tagesbericht bin ich erwachsen und sehe mich als Kind und das ist völlig neu. Das ist ein großer Schritt in der Therapie.

    03.05.2004

    Es ist heute 5 Tage her, dass ich nicht mehr geschrieben habe. Es gibt auch nicht viel zu schreiben.
    Es geht mir immer noch sehr schlecht und ich denke morgens: „Muss ich heute aufstehen? Wozu? Ich schaffe es nicht.“ Doch ich stehe auf und quäle mich weiter durch die Tage und weiß nicht, wie ich es aushalten soll, den Tag zu überstehen und überstehe ihn doch irgendwie. Immer hoffe ich, es wird besser, es geht vorbei. Aber da sind der Schmerz, das Entsetzen, die Traurigkeit, dieses schlimme Gefühl allein zu sein, immer allein gewesen zu sein. Es war etwas ganz anderes, sich leer und gefühllos zu fühlen. Das tat nicht so weh, nun tut es weh und macht mich so machtlos, etwas dagegen zu tun. Alles überfällt mich. Die vielen Leute, in deren Augen ich gesehen habe, jeden Einzelnen habe ich mit Blicken angefleht, mir zu helfen, als ich dort auf dieser Bühne lag und den zwei Hunden ausgeliefert wurde. Alle haben mich angesehen, mir auch in die Augen gesehen, doch keiner war dabei, der auch nur im Entferntesten daran gedacht hat, mir zu helfen. Es ist so schlimm, dies zu spüren, die Augen vor sich zu sehen und zu wissen, da sind so viele, Einer muss doch etwas dagegen haben, dass mir das angetan wird. Es ist so nah, als wäre es jetzt, meine Hilflosigkeit, meine Scham, meine Verzweiflung und meine vergebliche Hoffnung auf Hilfe.
    Ich sehe mich, meinen Körper, beschmiert, zerkratzt und voller Angst und Scham. Ich will mich verkriechen und kann nicht. Ich schäme mich so sehr für das, was da passiert und kann nichts dafür. Aber es ist mein Körper und ich schäme mich und alle starren nach vorne, zu mir und ich bin es, die da nackt und wehrlos mit Hunden zur Schau gestellt wird und es gibt tatsächlich Menschen, die das gierig und genussvoll ansehen und überhaupt ansehen können, ohne etwas dagegen zu tun. Es macht mich fassungslos, sprachlos und tut weh. Ja, es ist vieles passiert in meiner Kindheit, aber dieses war für mich das Schlimmste und das Unfassbarste. (Habe ich gedacht.)
    Immer wieder habe ich mich gefragt, wie ich damit leben soll, leben kann. Ich werde es müssen und trotz meiner wirklich riesengroßen Scham, dass mir das angetan wurde, werde ich nicht darüber schweigen, weil ich mich schäme. Nein, ich will, dass man es erfährt, was es für Menschen gibt. Es gibt tatsächlich Menschen, die Kindern so etwas antun und Vergnügen daran haben. Das sind Bestien. Deswegen will ich nicht schweigen und mich schämen. Es gibt solche Menschen immer noch und ich denke, dass solche Dinge immer noch passieren.
    Hier wird mir gesagt, ich könnte noch ein richtiges, normales Leben führen, nach der Therapie.
    Ich bin nun über 50 Jahre alt und hoffe wirklich auf eine Zeit, in der es mir mal besser geht, in der ich leben kann, wie andere auch.
    Ob das wirklich möglich ist? Ich weiß es nicht, aber ich will es erfahren. Wer hat schon nach so einer Kindheit noch eine Chance bekommen, so eine intensive Therapie zu machen und sich auf den Weg in ein normales Leben zu begeben. Es ist wahr,

Weitere Kostenlose Bücher