Ich will doch nur normal sein!
Dienstag und heute ist Donnerstag, wollte ich heim, wegen dem Umzug. Das schaffe ich nie. Gestern war Willi da, Helgas Freund, er will beim Umzug helfen und er fing nur an davon zu reden und ich saß da und merkte, dass ich fast am Durchdrehen war und kurz vor dem Heulen. Es war ein Gefühl, das ich eine Weile nicht hatte, es war echt das Gefühl, zu dissoziieren. Ich bin jetzt eine ganze Zeit lang nicht dissoziiert und war froh darüber. Mir selbst war das gar nicht aufgefallen, sondern Herr Dr. S. sagte es im letzten Einzel. Ja, es war mir nicht einmal aufgefallen. Und nun gestern das. Ich hatte mich auch eine Weile nicht mehr geschnitten und war so stolz darauf und habe geglaubt, es jetzt überstanden zu haben und nun, ich versage täglich, gestern sogar zweimal, aus Angst, aus Schmerz. Immer mehr habe ich das Gefühl, rückwärts zu gehen. Alles kommt mir so schwierig vor, alles ist eine einzige Qual und ich heule ständig.
Ich kann auch nicht fassen, dass es so ist, wie ich es jetzt erkennen muss. Ich meine, wie mein eigener Opa mich benutzt hat, was er alles mit mir getan hat, damit ich schweige. Wie soll ich das begreifen, wie soll ich damit umgehen, das verstehen. Ich weiß nicht, was ich bin, ich weiß nur noch, wie ich mich fühle und das ist so, dass ich es nicht einmal richtig definieren kann. Enttäuscht, traurig, verletzt, verraten, schmutzig, allein und hilflos, wütend? Ängstlich. Ängstlich, dass wirklich anzunehmen und zu erkennen, wie das alles damals war. Wer und was ich war. Wofür ich da war. Wer für mich da war und für wen ich da war. Ich kann nicht daran denken, ohne mich dagegen zu sträuben, zu denken: „Nein, das war ich nicht, das ist mir nicht passiert, das will ich nicht sein. Ich wünsche es mir anders. Das ist zu schlimm, um es aushalten zu können. Ich kann es nicht aushalten und wer kann so etwas aushalten?“
Ich merke nicht, dass ich jetzt über 50 Jahre alt bin, ich merke gar nicht, wie alt ich bin, da ist nur etwas da, das ich sein soll und das dass alles aushalten soll und einfach nicht mehr kann. Ich will mich nicht umbringen, nein, das ist vorbei. Es kommt mir aber vor, als hätte ich keine Kraft mehr zu leben. Ausgelaugt, kraftlos, verzweifelt und traurig. Einfach nur traurig über das alles, was mich ausmacht, was ich sein soll, wer ich sein soll. Die Nächte, der grausame Schmerz, die Angst zu schreien und die Angst, zu Ersticken. Ich halte es nicht mehr aus. Das bin ich zur Zeit, das macht mich zur Zeit aus.
Warum ich das geschrieben habe? Weil ich es nicht so erklären kann und gar nicht den Mut habe, es so zu erklären, denn meist versuche ich alles als aushaltbar hinzustellen oder nicht so schlimm. Aber ich möchte, dass Sie wissen, wie es mir geht, wie verzweifelt und kaputt ich bin. Ich möchte Hilfe und weiß doch, es gibt da keine Hilfe, ich muss es schaffen und kann froh sein, dass ich hier sein kann und nicht allein da stehe damit.
29.04.2004
Ich habe das alles Herrn Dr. S. lesen lassen, um zu erklären, wie schlecht ich mich fühle und wie machtlos ich mich fühle, etwas daran zu ändern auch, wenn ich es noch so gern möchte.
Ich fühle mich heute nach dem Einzel noch schlechter, weil auf einmal alles zusammengehört und es nicht nur dieser oder jener war, zu dem mein Opa mich gebracht hat. Nein, es war alles ein einziges Ganzes, nichts Zufälliges. Mein Opa war der Boss und er hat mich verkauft, an jeden der mich wollte, egal wozu, egal wie der mit mir umging, egal, was er mir antat. Er war sogar meist dabei oder im Haus und hat mich wieder mitgenommen und zu Hause abgeliefert, wenn der „Auftrag“ erledigt war. Ich kann das nicht begreifen, es geht mir über den Verstand. Es macht mich einfach sprachlos, das alles. Alles was ich in den letzten Jahren während meiner Therapie so nach und nach versucht habe zu verkraften, zu verarbeiten und wieder zu verdrängen, als gehöre es nicht zu mir, als wäre es nicht mir passiert, sondern nur dem kleinen Mädchen, das ich einmal war und von dem ich so meilenweit entfernt bin, dass ich es immer noch hassen kann und mich für sie schäme.
Es wäre mir nicht passiert, hätte es meinen Opa nicht gegeben. Jetzt kann ich da nichts mehr sortieren, trennen, wegstecken und so tun als wäre es nicht mir passiert. Es ist mir, mir als ich klein war passiert und mein Opa, den ich gern hatte, ist dafür verantwortlich.
Begreife das mal, dass alles sein Geschäft war, sein böses Spiel mit meinem Körper, mit mir als
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