Ich will doch nur normal sein!
ihn sofort erreicht beim ersten Versuch – ob ich es noch mal versucht hätte, weiß ich nicht. Ich habe mich auch geschämt, dass es mir wieder schlecht geht und das so kurz nach meiner Entlassung.
Ich habe ihn also erreicht und gesagt, dass es mir sehr schlecht geht und ob er Zeit für mich hätte – er gab mir für heute 16.00 Uhr sofort einen Termin. Ich war froh und schon das half, dass ich mich etwas beruhigte und nach 3 Tagen zum ersten Mal aufhören konnte zu weinen.
Ich dachte, was soll ich sagen, warum es mir schlecht geht – ich weiß es nicht – es ist einfach auf einmal so schlimm geworden und ich komme nicht mehr da raus, schaffe es nicht allein.
Um 15.00 Uhr fuhren wir also in die Klinik, 16.00 Uhr stand ich vor der Tür von Herrn Dr. S. Sprechzimmer und schämte mich, dass ich wieder so da stand und es nicht hinkriege allein zurecht zu kommen. Er bat mich herein und ich versuchte ihm zu erklären, wie es mir geht, was los ist und dass ich nicht weiß, wieso es mir so schlecht geht. Ich hätte mich nicht gemeldet, aber ich habe nicht mehr weiter gewusst und es war zu stark, mich zu schneiden oder mehr zu wollen. Schon nach wenigen Minuten habe ich nur noch geheult und die Schmerzen im ganzen Körper, ich hatte Angst (ich kann mich nicht mehr bewegen, wie es schon mehrfach passiert ist) wurden so unerträglich, dass ich nur noch geschluchzt habe. Ich wusste nicht, was los ist mit mir, konnte mich nicht dagegen wehren und fühlte mich so hilflos und ausgeliefert. Ich brauchte dringend seine Hilfe. Ich schaffe es nicht mehr, halte es nicht mehr aus.
Nach ein paar Minuten kam ein Anruf und Herr Dr. S. musste auf Station zu einem Patienten. Während dieser Zeit – ich weiß nicht, wie lange es war, saß ich nur da habe geheult und war völlig verzweifelt.
Ich saß in diesem Zimmer, in dem ich immer reden konnte, war allein und sah zum Fenster raus und sah nicht raus – ich war nicht da, ich war bei mir.
Herr Dr. S. kam wieder und hat mich gefragt, woran ich denn in der Zeit, als ich allein war gedacht habe.
Ich sagte: „Ich habe daran gedacht, wie oft ich Angst hatte, umgebracht zu werden.“ Meine Antwort erstaunte mich selbst, als ich sie hörte. Ich hörte, dass ich sagte, dass ich immer Angst hatte, umgebracht zu werden. Ich habe das gesagt und dann war es völlig aus mit meiner Fassung. Die Angst, ich fühlte sie und ich konnte sie nicht aushalten. Das kann man nicht aushalten und ich habe immer gedacht, ich kann nicht mehr – ich kann nicht mehr und habe nur noch geschluchzt. Ich war jetzt nicht groß, ich saß da als Kind und habe es nicht ausgehalten, hatte einfach nur Angst und wollte Hilfe, wollte Schutz.
Die Schmerzen waren so schlimm – der ganze Körper tat mir weh, ich versuchte immer wieder meinen Kopf zu bewegen, weil ich Angst hatte, ich werde steif. Ich hatte das Gefühl, steif zu werden. Es war so schlimm und ich spürte meine Hände sind gefesselt – ich kann nicht mehr, halte es nicht mehr aus – was soll ich tun? Was kann ich tun? Ich habe solche Angst. Bitte lass es aufhören – ich kann nicht mehr.
Ich habe angefangen von dieser Angst zu reden, von meinen Schmerzen zu reden und dann von dem Serienmörder Michel Fourniret und Dutroux und dann ist da noch einer, der Mädchen vergewaltigt und umgebracht hat und ich habe Angst, Angst, ich werde auch umgebracht – die Angst von früher war da und ich war im Früher.
Ja, nun wusste ich, warum es mir schlecht geht. Was mit mir los ist.
Wenn ich das jetzt hier schreibe, dann kann ich es wieder einmal nicht begreifen. Ich bin jetzt 52 Jahre alt und habe in mir die Angst von damals, weil das heute passiert, weil es in den Nachrichten kommt und ich weiß nicht, was mit mir passiert. Bin einfach nur hilflos ausgeliefert, weil ich nicht einordnen kann, was mit mir los ist, warum es mir so schlecht geht.
Ich war so völlig ausgeliefert, so hilflos in dieser Angst und so verzweifelt, dass ich sogar daran dachte, Schluss zu machen und das nur, weil jetzt und heute wieder einmal solche verfluchten Teufel Mädchen gequält, vergewaltigt und umgebracht haben. Ich habe nicht gemerkt, was das mit mir gemacht hat. Aber jetzt, wo ich weiß, warum es mir so schlecht geht, habe ich eine verdammte Wut, dass es heute immer noch so ist, dass ich dem ausgeliefert bin und wegrutsche, ohne es zu merken und mir nicht helfen kann. Mich aus Angst und Verzweiflung fast umbringen würde, um es nicht mehr aushalten zu müssen.
Ohne Herrn Dr.
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