Ich will ja nur dich!
zusammenzuckte und erschrocken aufschrie.
»Hey, ich bin’s«, sagte er in der Hoffnung, seine Stimme würde beruhigend auf sie wirken.
Sie blinzelte zu ihm hoch. »Dare«, sagte sie erleichtert.
»Wer sollte es sonst sein?«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Niemand.« Dann erhob sie sich schwerfällig. »Wie geht es Tess?«
Dare schnaubte. Was sollte er darauf sagen? »Die Frage ist nicht leicht zu beantworten.«
»Lass dir Zeit.«
Sie legte ihm eine Hand auf den Arm, aber Dare spürte es gar nicht. Nicht einmal ihre beruhigende Stimme konnte gegen das Chaos in seinem Kopf etwas ausrichten.
»Sie ist doch über den Berg, oder?«, fragte sie.
Er neigte den Kopf. »Ja, sie ist über den Berg.«
»Gott sei Dank.« Liza lächelte. »Zumindest mussten sie ihr nicht den Magen auspumpen. Soweit ich mich erinnere, ist das ziemlich grauenhaft«, fügte sie schaudernd hinzu.
»Was?« Dare registrierte es kaum. Was hatte sie gesagt? Irgendetwas von wegen Magen auspumpen, wenn es ihn nicht täuschte. Er zwang sich, mit seiner Aufmerksamkeit zu ihr zurückzukehren.
»Ich sagte, Tess hatte noch Glück im Unglück. Ich musste nur gerade daran denken, wie … ach, egal.« Liza brach ab und schüttelte den Kopf.
Diesmal hatte er ihr zugehört, und jetzt wusste er verdammt noch mal auch, was sie meinte. Sie hatte wohl erwähnen wollen, dass auch Brian einmal der Magen ausgepumpt worden war.
Bei dieser Vorstellung stieg die ganze Wut, die er vorhin mühsam unterdrückt hatte, wieder in ihm hoch, so rasch, dass sie sich jeden Augenblick explosionsartig entladen konnte.
Liza, die nicht ahnte, was in ihm vorging, hob die Hand, um ihm die Wange zu streicheln, und er wich zurück.
»Redest du etwa von Brian?«, stieß er ungläubig hervor. »Hast du Brian gerade mit Tess verglichen?« Er schnaubte verächtlich. »Ich fasse es nicht.«
»Nein, ich … Ich meinte bloß … Ich habe nur versucht, der ganzen Sache etwas Gutes abzugewinnen und dir zu zeigen, dass ich dich verstehe. Ich wollte damit nicht andeuten …«
»Spar dir deine Erklärungen«, presste er hervor.
Liza riss die Augen auf, dann wich sie ein, zwei Schritte zurück.
Doch das konnte ihn nicht einbremsen. »Nur weil dein nichtsnutziger Bruder, der säuft wie ein Loch, auch mal hier eingeliefert worden ist, glaubst zu verstehen, was ich gerade durchmache?« Dare registrierte, dass er die Stimme erhoben hatte, aber er konnte nichts dagegen unternehmen.
»Dare«, rief Ethan warnend, um ihn zur Besinnung zu bringen, ehe es zu spät war.
Dare wusste zwar, dass sein Verhalten völlig irrational war, doch ihm war, als hätte Liza mit ihren Worten eine Schleuse geöffnet, und nun strömte die Wut, die sich seit seinem Besuch bei Tess in ihm aufgestaut hatte, ungehindert aus ihm heraus. Sein Geist irrte irgendwo zwischen der Vergangenheit und dem fremden Zimmer, in dem seine fünfzehnjährige Halbschwester um ein Haar gestorben wäre, umher. Er dachte flüchtig an Tess’ Geburtstagsfeier im Januar, und ein eiserner Ring legte sich um seine Brust. Seine Schuldgefühle, weil er Stuart Rossmans Sturz miterlebt, aber nichts unternommen hatte, vermischten sich mit Wut und einer entsetzlichen Angst um Tess.
»Dare, ich …« Liza öffnete den Mund, klappte ihn wieder zu. Ihr Gesicht wirkte blass und eingefallen.
»Ja, schon klar. Du verstehst es«, fauchte Dare. »Tatsache ist, das tust du eben nicht. Du kannst es gar nicht verstehen. Denn dein Bruder schüttet absichtlich literweise Alkohol in sich hinein und hinterlässt dann in seiner Umgebung eine Spur der Verwüstung, während du nicht nur zusiehst, sondern ihn sogar noch dabei unterstützt. Tess dagegen ist ein Opfer. Ein minderjähriges, unschuldiges Opfer, und das ist der Unterschied zwischen ihr und deinem Bruder, diesem Bastard.«
»Du bist hier der Bastard«, stieß Liza hervor. Sie hatte seinen Ausbruch mit immer größer werdenden Augen über sich ergehen lassen. Dare konnte selbst kaum glauben, was er ihr da gerade alles an den Kopf geworfen hatte.
»Dare, jetzt halt verdammt noch mal endlich den Mund!« Ethan packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn kräftig.
Dare schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Als er die Augen wieder öffnete, hatte Liza ihre Tasche vom Boden aufgehoben.
Als er einen Blick in die Runde warf, stellte er fest, dass seine gesamte Familie ihn ungläubig anstarrte, als wäre er ein Fremder.
Kein Wunder, er erkannte sich ja selbst kaum wieder.
Er
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