Ich will ja nur dich!
Nachdem sie alles losgeworden war, fühlte sie sich zu ihrer Überraschung irgendwie erleichtert.
Cara stieß einen Pfiff aus. »Okay. Ich schätze, das erklärt einiges.« Sie fuhr sich mit den Fingern durch die dunklen Haare, fasste das eben Gehörte noch einmal zusammen und schloss mit den Worten: »Da hat sich dein Bruder ja ganz schöne Schwierigkeiten eingehandelt.«
Liza nickte. Sie war froh, dass Cara weder Dare noch die Szene im Spital erwähnt hatte, wenngleich ihr klar war, dass sie sich über kurz oder lang mit ihren Gefühlen auseinandersetzen musste. Später, wenn sie im Bett lag. Vorerst hatte sie sie in die hinterste Ecke ihres Gehirns verdrängt.
»Ich weiß. Ich kann sein Verhalten nicht entschuldigen und will es auch gar nicht. Brian muss endlich Verantwortung für sein Leben übernehmen. Aber ich kann nicht mit einer Zielscheibe auf dem Rücken herumspazieren, und wenn das heißt, dass ich seine Schulden bezahlen muss, dann ist das eben so.«
»Fünfzig Riesen?«
Liza kniff kurz die Augen zu und nickte. »Ich habe Ersparnisse. Mein Großvater hat uns beiden etwas Geld hinterlassen. Ich habe mein Erbe nie angerührt.«
Keine von beiden brachte zur Sprache, dass Brian seinen Teil vermutlich bereits aufgebraucht hatte.
»Und die Unterschlagung von Firmengeldern? Was willst du diesbezüglich unternehmen?« Cara schenkte Liza ein grimmiges Lächeln.
»Keine Ahnung. Was soll ich sagen – er hat ein Verbrechen begangen, und wenn man ihn nicht dafür zur Rechenschaft zieht, wird er einfach weitermachen, und dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis ich seinetwegen wieder in Gefahr schwebe.« Liza schluckte den Kloß hinunter, der in ihrer Kehle steckte, als ihr die Tragweite ihrer Aussage bewusst wurde.
Cara schwieg, als wäre ihr klar, dass sie Zeit zum Nachdenken brauchte.
Liza schmerzte der Hals, weil sie schon die ganze Zeit krampfhaft versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Und nicht etwa wegen Brian oder weil sie die Reaktion ihrer Eltern fürchtete, wenn sie das alles erfuhren. Nein, der Grund dafür war vielmehr Dares gemeines Verhalten ihr gegenüber.
Sie schenkte sich Wein nach und war gerade im Begriff, einen Schluck zu nehmen, als sie vor ihrem inneren Auge das Gesicht ihres Bruders sah, dem der Alkohol zum Verhängnis geworden war. Sogleich stellte sie das langstielige Glas auf den Tisch zurück. Ihr war die Lust auf Wein und darauf, sich zu betrinken, vergangen.
»Hast du Dare erzählt, was heute in deinem Büro geschehen ist?«, erkundigte sich Cara.
»War ja klar, dass wir früher oder später auf Dare zu sprechen kommen würden«, grummelte Liza. »Nein, noch nicht.«
Cara seufzte frustriert. »Wir wissen beide, dass er sich heute Abend wie ein richtiges Arschloch aufgeführt hat, und ich möchte ihn nicht eine Sekunde lang verteidigen. Aber ich kenne ihn, und ich bin sicher, dass er das, was er dir vorhin an den Kopf geworfen hat, bereits zutiefst bereut.« Sie schaute Liza in die Augen.
Liza breitete die Arme aus. »Das macht keinen Unterschied. Ganz egal, was er gesagt hat und wie er es gesagt hat, die Tatsache, dass all das unter der Oberfläche geschlummert hat, beweist doch nur, dass er mich mit meinem Bruder in einen Topf wirft, und dass Brian für ihn untrennbar mit seiner eigenen Vergangenheit verbunden ist. Ich hatte keine Vorstellung davon, dass er derart traumatisiert war.« Sie hatte ja bereits damit gerechnet, dass er sie irgendwann abservieren würde, aber dass er es auf eine derart grausame Art und Weise tun würde, das hatte sie nicht erwartet.
Cara setzte sich mit untergeschlagenen Beinen hin. »Du weißt, dass Nash und Dare zu unterschiedlichen Pflegefamilien gekommen sind, nicht?«
»Dare hat einmal erwähnt, dass es sich so ergeben hat.«
Cara schnaubte. »Wie man’s nimmt. Stuart Rossmans Eltern, die Nash aufgenommen haben, wollten eigentlich auch Dare zu sich nehmen, aber er hat sich geweigert. Er konnte nicht bei ihnen leben, nachdem er nichts unternommen hatte, um ihren Sohn zu retten. Der Staat hätte die Sache forcieren können, aber ein Rechtsanwalt namens Richard Kane, der Bescheid wusste, ist eingeschritten. Deshalb kam Dare dann zu den Garcias, einer ärmeren Familie, während Nash im Reichtum gelebt hat. Bis vor einem Jahr wusste niemand, dass es allein Dares Entscheidung gewesen war.«
Liza sperrte den Mund auf. »Wow.« Das klang, als wäre der Ausdruck »traumatisiert« noch vorsichtig formuliert. »Das hat er mir nie
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