Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich will meinen Mord

Ich will meinen Mord

Titel: Ich will meinen Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Vanderbeke
Vom Netzwerk:
dann besoffen.
    Ein Satz während des Urlaubs in Martigues: Die Jahre zwischen Dreißig und Vierzig mußt du irgendwie wegschaffen. Von der Frau des Obst- und Gemüsegroßhändlers nicht gesagt; nur gedacht, in Martigues, während in Bern die elektrische Sprenganlage alle zwei Tage abends den Garten automatisch versorgt, bei der Heimkehr Blattläuse auf den Rosen, aus irgendeinem Grund waren in diesem Jahr die Dahlien nicht gekommen, unerklärlich.
    Der bozener Mann der Blonden in Martigues: noch keine Organistin aus Yverdon in Sicht, die dortige Kirche kämpft einen zähen Dauerkampf mit der Stadtverwaltung wegen der Finanzierung der fälligen Restaurationsarbeiten, infolgedessen schläft der Restaurator in diesem Sommer noch ausschließlich mit seiner Frau, nicht gerade am 14 . Juli, wohl aber unter anderem am 16 . Juli, und nicht eben mit Leidenschaft, aber für eine Schwangerschaft hat es gereicht, die Blonde berät sich mit ihrer Freundin, die unter drei Kindern stöhnt (um eins hat sie kurz zuvor so gebangt), und treibt noch Anfang September ab. Ohne ihrem Mann etwas davon zu sagen? Ohne. Ihr Mann ist aus Südtirol und folglich Katholik. Aber was ist mit der sprichwörtlichen schweizer Ehrlichkeit?
    Natürlich haben die beiden Schweizerfamilien in Martigues nicht auf den hellgrauen Volvo geachtet, aus dem Monsieur Barbagelata ausstieg, als sie vorbeigingen. Der Mistral hatte angefangen, und die zweitjüngste Tochter, noch ohne die Plombe, die ihr kürzlich herausgefallen ist, vielmehr im Bonbon steckengeblieben, wovon ihre Mutter im Augenblick noch nichts weiß, hatte einen Wutanfall, weil ihr Eis voll Scheißsand war, Scheißwind, Scheißsand, das Eis landet auf der Straße, nicht weit von Monsieur Barbagelatas Schuhen. Unklar ist, warum die heutigen Kinder immer so schlecht gelaunt sind, schweizer Kinder, französische Kinder, deutsche Kinder; sogar schon der Kleine, sagt die Naturinspektorin, hängt mir dauernd ein Maul an, immerhin: seit der Scheidung geht es im großen und ganzen besser.
    Monsieur Barbagelata hält einer Frau die Wagentür auf. Sie hat riesige silberne Ohrringe, Kreolenohrringe, und schwarz geschminkte Augen ganz ohne Müdigkeit drum herum, weil sie natürlich jung ist und erst anfängt, aber im Unterschied zu zwei Schweizerinnen, die gerade vorbeigehen, als sie aussteigt, benutzt sie von Anfang an kein Piz Buin mit Sonnenschutzfaktor sieben, sondern Sonnencreme von Shiseido. Die Jahre zwischen Dreißig und Vierzig sind ihr im Augenblick völlig egal, alles was zwischen Dreißig und Vierzig ist oder noch älter am Ende, ist ihr peinlich, hat vage mit den Wechseljahren zu tun und wird deshalb einfach nicht wahrgenommen, mit Ausnahme von Monsieur Barbagelata, der zwischen Dreißig und Vierzig ist und keinerlei sichtbare Vorzüge hat, weshalb man ihn leicht übersieht, keiner schaut so genau hin, und schon treibt er Waffen- und Immobilienhandel.
    In Vienne sind sich die Inspektoren einig, den desolaten Zustand der Naturparks und Naturschutzgebiete, so lamentabel er ist, für sich zu behalten – alles behördenintern versickern lassen, anstatt Monsieur Barbagelatas junger Freundin eine teure Sonnencreme zu finanzieren, und wenn es nur das wäre: aber es hängt eine ganze Villa in Martigues daran, ein Privatflugzeug, eine Segeljacht. Palmen. Apéritifs.
    Viszman, vom Gang kommend, sieht mich an.
    Vielleicht ahnt er etwas.
    Der Blick hat einen Widerhaken, weil das Müde um Viszmans Augen herum während des Blickes leise Fältchen macht, und natürlich weiß Viszman, daß ihm keine Frau widerstehen kann, wenn er so mit den Augen lächelt; der Mund dabei unbewegt. Blickweise von einem Mann wie Viszman angelächelt zu werden ist für jede Frau lebensgefährlich, weil dieses Lächeln sich mit ihr verständigen und verbünden will, ironisch kundtut, daß dieses Abteil hier in Wirklichkeit leer ist, keine Naturparkinspektoren, keine Schweizerinnen, niemand hier. Dieser Wir-zwei-allein-Blick ist offenbar blind für die Probleme des Naturschutzes und des Waffenhandels von Monsieur Barbagelata, er hat andere Abenteuer im Sinn; er ignoriert auch, daß einer Blonden noch heute abend von ihrem Mann eröffnet werden wird, daß er sie probeweise zugunsten einer Organistin in Yverdon ein bißchen verläßt, und was wird aus ihr und den Kindern.
    Der Blick sagt, kümmere dich nicht darum. Ich mach das. Wir beide. Der Rest bleibt draußen. Was kümmern uns die. Natürlich fällt jede Frau darauf rein, und es

Weitere Kostenlose Bücher