Ich will nur dein Glück: Roman (German Edition)
rebellischen Teenager verwandelt und war zu allem Überfluss auch noch an die falschen Leuten geraten. Sie hatte getrunken und geraucht und war schließlich sogar verhaftet worden. In ihrer Verzweiflung hatte sich Kelly an den einzigen Menschen gewandt, an den sie sich aus der Zeit in Tomlin’s Cove noch erinnern konnte – Richard Kane, einen Anwalt in Serendipity, der ihr dann von Ethan Barron erzählt hatte.
Es hatte Kelly schier das Herz gebrochen, ihre kleine Schwester vor der Tür dieses wildfremden Menschen abzusetzen und ihm zu sagen, er solle seiner Rolle als großer Bruder gerecht werden. Doch Kelly hatte gespürt, dass das ihre letzte Hoffnung war. Zum Glück – wer weiß, was sonst aus Tess geworden wäre. Ein paar Monate später war Kelly nun ebenfalls nach Serendipity gezogen, um sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Endlich hat sich unser Leben zum Guten gewendet, dachte sie, während sie Tess erneut zur Eile antrieb.
Sie machten sich rasch über das Frühstück her, dann lieferte Kelly ihre Schwester in der Schule ab und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Ihren Job verdankte sie – wie so vieles in letzter Zeit – Richard Kane; er hatte ihr nämlich eine Stelle als Anwaltsassistentin angeboten.
Wie jeden Tag legte sie unterwegs einen Zwischenstopp im Cuppa Café ein. Kelly hatte ihr ganzes Leben lang hart gearbeitet und auch früh gelernt, sparsam zu sein, aber ihr gesamter Tag stand und fiel mit dem morgendlichen Kaffee. Stark und aromatisch musste er sein.
Als Kelly das Café betrat und ihr der köstliche Kaffeeduft in die Nase stieg, fühlte sie sich gleich ein gutes Stück wacher, fast als hätte sie das Koffein gleichsam durch Osmose in sich aufgenommen.
Sie goss sich gerade Milch in ihren großen Becher, da gesellte sich eine vertraute Gestalt mit langer blonder Lockenmähne zu ihr an den Tresen.
»Na, auch wieder da? Nach dir könnte man ja glatt die Uhr stellen«, scherzte Annie Kane.
Kelly grinste sie an. »Dasselbe könnte ich von dir behaupten.«
»Da hast du recht.« Annie lachte und prostete Kelly mit dem Becher zu.
Das Leben in einer Kleinstadt hatte Vor- und Nachteile, und dass einem ständig Bekannte über den Weg liefen, gehörte für Kelly eher in die erste Kategorie. Kelly und Annie kamen jeden Morgen zur selben Zeit ins Cuppa Café, und oft blieben sie auf einen Plausch. Annie entwickelte sich allmählich zu einer richtigen Freundin für Kelly – ihrer bislang einzigen in Serendipity, von Ethans Frau Faith Harrington einmal abgesehen.
Annie war Richard Kanes Tochter, kam allerdings eher nach ihrer Mutter als nach ihrem Vater, jedenfalls nach den Fotos auf Richards Schreibtisch zu urteilen. Sie war Kelly auf Anhieb sympathisch gewesen, als sie sich vor ein paar Wochen in Richards Kanzlei kennengelernt hatten.
Kelly nahm einen großen Schluck von ihrem Kaffee.
»Und, warum bist du jeden Tag so früh auf den Beinen?«
»Weil es mich jung hält«, antwortete Annie.
Kelly verdrehte die Augen. »Du bist jung.« Sie ließ den Blick über Annie gleiten, angefangen beim hellen Baumwollpullover über die Jeans bis hinunter zu den Slip-on-Sneakers. »Ich möchte wetten, dass wir ziemlich genau gleich alt sind.«
»In einem Monat werde ich siebenundzwanzig«, sagte Annie.
»Und ich im Dezember.«
Als Annie den Becher an die Lippen hob und einen Schluck nahm, fiel Kelly auf, dass Annies Hand zitterte.
Kelly hob eine Augenbraue, äußerte sich aber nicht dazu. Stattdessen beschloss sie, etwas für ihr soziales Leben in Serendipity zu tun. »Wie wär’s, wenn wir uns mal zum Mittagessen verabreden, statt uns immer nur hier zwischen Tür und Angel zu unterhalten?« Kelly sehnte sich nach einer richtigen Freundin, nach jemandem, dem sie vertrauen und dem sie alles erzählen konnte. Sie liebte Tess über alles, aber eine Vierzehnjährige war nun einmal kein Ersatz für eine erwachsene Freundin.
»Gern!«, sagte Annie sogleich. »Ich gebe dir meine Nummer.« Als sie in ihre Handtasche griff, begann wie auf ein Stichwort hin ihr Handy zu klingeln. Sie warf einen Blick auf das Display, entschuldigte sich bei Kelly und nahm das Gespräch an. »Hallo?«
Kelly wandte den Blick ab, damit sich Annie nicht belauscht fühlte, kam aber natürlich nicht umhin, die Unterhaltung mitanzuhören.
»Es geht mir besser, danke … Ja … Nein, du musst nicht vorbeikommen. Ich habe den Installateur angerufen, und er meinte, er könnte gegen Abend bei mir vorbeischauen.« Annie schwieg eine
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