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Ich wollte Hosen

Ich wollte Hosen

Titel: Ich wollte Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Cardella
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auffressen mögen. Dann merkte sie endlich, daß er noch vier blonde, magere und müde Wesen bei sich hatte, die mit riesigen Koffern in der Hand dastanden. Antonio stellte uns seine Frau Karina vor (» A putivunu chiamari saprita , sie hätten sie Saporita nennen können«, kommentierte meine Mutter, also »nett« oder »sympathisch«) und die Kinder Giuseppe, Peter und Ingrid. Natürlich verstanden meine Schwägerin und meine drei Neffen fast gar kein Italienisch, mit Ausnahme von ein paar Sätzen wie » Mi sta rumpennu i cugliuna . Du gehst mir auf die Eier«, oder » Ti fazzu un culu accussi . Ich reiß' dir den Arsch auf.«
Meine Mutter war in heller Aufregung, sie hörte gar nicht mehr damit auf, minnilati und mastazzola , Mandelkuchen und Obstgebäck anzubieten und zu fragen, wie denn Deutschland sei.
Nach den Antworten meines Bruders, der Kleidung meiner Schwägerin und Neffen und dem draußen parkenden Auto zu schließen, hatten wir sicher einen Milliardär oder so was in der Art vor uns. Antonio erzählte von einer großen Fabrik, wie hoch man ihn dort schätzte, von den Möbeln und dem Spielzeug in seiner Wohnung in Köln, aber er sagte kein Wort davon, wann er wieder abfahren würde. Mittlerweile hatte er sich mit seiner Familie bei uns zu Hause eingenistet, und meine Eltern mußten für den Unterhalt aller aufkommen. Später erfuhren wir, daß er in dieser Fabrik Laufbursche war, daß ihn alle duzten und daß die Wohnung draußen vor der Stadt lag und er zur Miete wohnte. Das Auto war aus dritter oder vierter Hand, um es bezahlen und heimkehren zu können, hatte er alles verkauft, Geld aus der Kasse geklaut (»Die haben sowieso Geld zum Wegschmeißen«, meinte er) und war fristlos entlassen worden: Da hatte er Kind und Kegel gepackt und war heimgekommen. Diese sieben Jahre jedenfalls lebte ich als Einzelkind. Ich ging weiter ganz normal zur Schule, mit dem gleichen spärlichen Erfolg wie immer und mit der gleichen Geringschätzung durch meine Klassenkameradinnen wie immer. Auch sie hatten meine Vergangenheit als angehende Braut Christi vergessen und sich nur um ihre Vampkarrieren gekümmert. Alles lief normal weiter, die übliche Wacklerei mit dem Po, die üblichen vulgären Kommentare, die üblichen, unausbleiblichen Ohr-feigen vom Direktor. Obwohl ich meine Aura von Heiligkeit und Askese verloren hatte, stand ich noch immer abseits. Im Grunde waren nur die Schulstunden von gewissem Interesse, im übrigen war mein Leben das absolute Nichts.
Ich war in diesem kritischen Alter, in dem du kein kleines Mädchen mehr bist, aber auch noch keine Frau: Ich durfte nicht mit gleichaltrigen Jungen draußen spielen wie in den glücklichen Jahren meiner Kindheit, als wir Roller bauten aus Holzbrettern, die wir von den Zäunen genommen hatten, und aus Kugellagern, die wir bei den Mechanikern geklaut hatten. Es gab einen Roller, an dem hing mein Herz besonders: Ich hatte ihn eigenhändig gebaut und von oben bis unten gelb lackiert. Dann machten wir Wettrennen, abschüssige Strecken runter, und gingen auch ans Meer. Wir dachten uns alles mögliche aus, um unser kärgliches Taschengeld aufzubessern.
Manchmal nahmen wir Stühle, stellten sie in einer Reihe auf der Piazza auf, brachten Kleidung, Tischdecken und Servietten von zu Hause mit und versuchten uns als Verkäufer. Leider ist nichts dabei herausgekommen. Nur einmal war eine Dame stehengeblieben und hatte sich für eine Tischdecke interessiert, aber wegen einiger Flecke und einiger Risse kam das Geschäft nicht zum Abschluß. Doch unser Erfindungsreichtum war damit noch nicht zu Ende: Wir unternahmen Kollekten, gingen mit kleinen Tellern und Heiligenbildchen durchs Dorf und baten um Spenden für die Kirche. Diesmal konnten wir etwas zusammenkriegen, deshalb entschlossen wir uns, die Tätigkeit auszuweiten, indem wir regelrechte Messen im Hof hinterm Haus abhielten.
Neben diesen religiösen Aktivitäten begingen wir regelrechte Diebstähle, Heiliges und Profanes sozusagen. Insbesondere erinnere ich mich an einige Bravourstückchen, die meine Cousine Rosa und ich gemeinsam vollbrachten. Wir waren fast gleichaltrig, gleich groß und gleich gekleidet, so wollten es unsere jeweiligen Mütter. Man hielt uns oft für Zwillinge, obwohl wir uns kaum ein bißchen ähnlich sahen. Wenn wir aus dem Haus gingen, sahen wir wirklich niedlich aus, trugen saubere Kleidchen, die Haare in langen Zöpfen geflochten und hatten süße, unschuldige Gesichter. Ein Hauch von Unschuld und

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