Ich wollte Liebe und lernte hassen
Augen.
»So, das hast du dir verdient, und wenn du Lust dazu hast, dann kannst du es deinem Vater erzählen, aber wenn du ihm das erzählst, dann mach dich gleich darauf gefaßt, daß ich dir eine Abreibung verpaß, die sich gewaschen hat. Du kennst ja deinem Vater sein Hosengürtel. So und jetzt ab ins Bett, ich will dich nicht mehr sehen, du miserables Miststück.« Ich stand auf, nahm meine Krücken und ging in mein Zimmer, also unser Zimmer, meine zwei Brüder schliefen ja auch darin. Ich habe alles, was sie gesagt hat, verstanden, nur ein Wort nicht und das war miserabel. Ich zog mich aus und legte mich ins Bett, vergrub mein Gesicht im Kopfkissen und fing wieder an zu weinen. Ich fragte mich, warum mach ich denn bloß immer alles falsch, ich habe doch nicht gewußt, was eine Sauftour ist.
Nach einer Weile muß ich dann eingeschlafen sein.
Am nächsten Morgen erinnerte ich mich gleich als ich aufwachte wieder an gestern abend, und fing an, zu überlegen, was ich nun machen sollte. Ich kam dann zu dem Entschluß, Pappa nichts von gestern zu sagen, da ich mir keine Tracht Prügel mit Pappas Hosengürtel einhandeln wollte. Nun interessierte mich nur noch eins, nämlich das Wort
»miserabel«, und so ging ich an den Schrank und holte mein Schullexikon und schaute nach. Als ich das Wort gefunden hatte und nun wußte, was es bedeutete, mußte ich mich damit abfinden, daß meine Mutter mich mit einem ziemlich miesen Schimpfwort betitelte, und ich war darüber nicht sehr erfreut.
Ich stellte das Lexikon wieder in den Schrank, und ging ins Bad, um mich zu waschen, dabei begegnete ich Mutti auf dem Flur. »Guten Morgen Mutti«, sagte ich, und wartete darauf, daß sie meinen Gruß erwiderte. Sie tat es nicht. Sie sagte nicht eine Silbe und ging an mir vorbei, als wenn ich Luft wäre. Ich schaute ihr entgeistert nach, bis sie in der Küche verschwunden war.
Ich habe sowas schon vorausgeahnt, dachte ich mir, und ich hatte mal wieder recht. Dann ging ich ins Badzimmer und wusch mich und zog mich hinterher an. Als ich in die Küche kam und mich an den Tisch setzte, also auf meinen Platz, merkte ich, daß für mich gar nicht gedeckt war, und schaute meine Mutter an, worauf sie anfing mir zu erklären, daß ich Luft für sie sei.
»Du weißt ja, wo das Geschirr steht, und da du mir nur Schwierigkeiten machst, hab ich mir gedacht, mit dir nicht mehr zu sprechen und auch sonst weiter nichts mehr für dich zu tun, und wenn das so ist, kannst du mich auch nicht mehr bei deinem Vater verkaufen.« Das war alles, was sie mit mir sprach, und ich wußte Bescheid, was damit gemeint war.
Ich stand auf und humpelte zum Schrank, um mir mein Frühstücksgeschirr zu holen. Als ich gefrühstückt und sehr umständlich mein Geschirr abgewaschen hatte, weil es mir Mutti aufgetragen hatte und sie mein Geschirr ja nicht abwaschen wollte, wie sie sagte, ging ich ins Kinderzimmer zurück und wollte etwas in meine Schulbücher schauen, als die Türe aufging und Mutti im Türrahmen stand.
»Vergiß nicht, dein Bett zu machen, das mußt du auch selber machen, und wenn du es nicht schaffst, dann kannst du ja deinen Vater um Hilfe fragen.« Sie sagte es in so einem gehässigen Ton, daß mir der Schauer eiskalt den Rücken runterlief.
Den ganzen Tag sprach sie kein Wort mit mir, erst wieder als Pappa von der Arbeit nach Hause kam, und auf einmal war wieder alles normal. Für mich war wieder gedeckt worden so wie sonst auch immer. Sie sprach sogar mit mir und fragte mich ganz scheinheilig, was ich den ganzen Tag gemacht habe.
Ich antwortete kurz und bündig, indem ich sagte: »Ach nichts Besonderes« und aß weiter. Ich machte mir während dem Essen dann so meine Gedanken und schaute ab und zu dabei zu Pappa hin, der gemütlich sein Abendessen aß. Er schien also nichts zu wissen von dem, was den ganzen Tag hier los war, und meine zwei Brüder bekamen es auch noch nicht mit. So verging dann das Abendessen, und Pappa schien zu glauben, daß alles ganz normal ist. Danach saßen wir alle vorm Fernsehapparat und schauten einen Zeichentrickfilm an, wobei ich dann selbst vergaß, was den ganzen Tag los war. Nach dem Film forderte uns Mutti auf, ins Bad zu gehen und uns zu waschen und die Schlafanzüge anzuziehen. Als wir damit fertig waren und alle miteinander ins Wohnzimmer kamen, um wieder Fernsehen zu schauen, sagte sie: »So jetzt wird es aber Zeit für euch ins Bett zu gehen. Gebt Pappa noch einen Gutenachtkuß und dann ab in die Federn. Ich
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