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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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Wasser in den Mund fülltest.
    »Dir wird’s bald besser gehen«, sagtest du leise. »Mit ein bisschen Glück bleiben nicht mal Narben zurück.«
    Das Wasser kitzelte in meinem Hals. Ich schluckte noch mehr davon. Jetzt war das Wasser nicht mehr braun und voll Schmutz; es war köstlichster Champagner. Ich dachte an das Auto, das tief im Sand steckte.
    »Wie sind wir zurückgekommen?«
    »Erst hab ich dich getragen, dann hab ich dich auf das Kamel gelegt. Wir waren die ganze Nacht unterwegs.« Du nicktest zum Becher hin. »Noch mehr?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Was ist mit dem Auto?«
    »Am Auto war ich gar nicht. Du warst anscheinend ein Stück zurückgelaufen, bist mir quasi entgegengekommen.«
    »Zurück …?«
    Du nicktest. »Also hab ich mir zurechtgereimt, dass das Auto stecken geblieben oder irgendwie kaputtgegangen ist und dass du einfach nach Hause wolltest.«
    »Nach Hause?«
    »Ja.« Dein Mundwinkel zuckte. »Zurück zu mir.«
     
     
    Wie du vorhergesehen hattest, ging es mir ziemlich schnell wieder besser. Am nächsten Tag brachtest du mir eine Handvoll Nüsse und Beeren. Die Beeren schmeckten bitter und die Nüsse waren mehlig und süß, total anders als alles, was ich bisher gegessen hatte. Aber ich aß sie trotzdem. Dann tastete ich nach der Stelle zwischen der Matratze und dem Bettrahmen. Das Messer war noch da. Ich zählte die Kerben im Holz. Fünfundzwanzig. Aber wie viele Tage mochten inzwischen vergangen sein? Ich kerbte noch mal vier Striche ins Holz.
     
     
    Als ich am nächsten Tag die dreißigste Kerbe ritzte, begann ich über meine Periode nachzudenken … warum ich sie noch nicht gehabt hatte. Vielleicht war ich einfach eingetrocknet wie das Land um mich herum, vielleicht konnte mein Körper einfach keine Flüssigkeit erübrigen.
    Ich stand auf und zog mich an, obwohl der Stoff schmerzte, als er meine verbrannte Haut berührte. Ich biss die Zähne zusammen und humpelte zur Veranda. Sogar die Fußbodenbretter taten mir an den Füßen weh und ich musste mir im Gehen das T-Shirt vom Körper weghalten.
    »Du hättest einfach nackt bleiben sollen«, sagtest du, als du mich sahst. »Würde nicht so wehtun.«
    Ich ließ mein T-Shirt los. »Ist okay so.«
    »Hier.« Du hieltst mir dein Wasserglas hin.
    Ich blickte das halb leer getrunkene Glas an. »Ich hol mir selbst welches«, sagte ich.
    Ich lief in die Küche. Nachdem ich mir Wasser in ein Glas gefüllt hatte, ging ich durch die Küchentür auf die andere Seite des Hauses, weg von dir. Ich lehnte mich gegen die Wand in den Schatten. Von dort aus konnte ich die Kamelstute sehen, die in einer Ecke des Geheges lag. Ihr Kopf war gesenkt und das Halfter hing ihr lose um die Ohren. Sie wirkte total zahm, als hättest du ihr alle Wildheit ausgetrieben. Ich legte die Hand über die Augen und suchte den Horizont ab, bis ich die schattigen Hügel der Dünen entdeckte: die Hügel, die ich für eine Bergbausiedlung gehalten hatte. Sie schienen ewig weit weg zu sein.
    Ich ließ mich auf die Kiste vor der Tür sinken. Mir wurde erst jetzt richtig klar, was das alles für mich bedeutete. Ich hatte tief in mir immer einen kleinen Funken Hoffnung gehabt, die Hoffnung, dass ich entkommen könnte. Aber plötzlich begriff ich. Dieser Blick auf den Sand, diese endlose Landschaft … das war es, das war mein Leben. Wenn du mich nicht wieder in eine Stadt brachtest, war das alles, was ich jemals sehen würde. Keine Eltern mehr, keine Freunde, keine Schule. Kein London mehr. Nur dich. Nur die Wüste.
    Ich hielt mir das Glas an die Stirn und leckte dann einen Tropfen ab, der daran herunterlief. Ich ließ die Zunge für einen Moment dort liegen, das Glas war so schön kühl. Vielleicht würde ich dich irgendwann zermürben. Vielleicht würdest du mich am Ende doch zurückbringen. Hatte es nicht schon Fälle gegeben, in denen entführte Mädchen nach Jahren wieder freigelassen worden waren? Waren nicht auch welche aufgespürt und gerettet worden? Aber wie lang würde das dauern?
    Links von mir bewegte sich etwas.
    Du standst vornübergebeugt an der Ecke des Hauses, unter dem Fenster von meinem Zimmer. Deine Arme bewegten sich auf etwas zu und du hüpftest nach hinten und zur Seite. Ich sah genauer hin. Da war eine Schlange. Du strecktest dich, um sie zu packen, und sprangst zurück, wenn sie versuchte dich zu erwischen. Die Schlange reckte herausfordernd den Kopf. Es sah aus wie eine Art Balzritual.
    Aber du warst schnell. Wie ein Pfeil bist du auf die Schlange

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