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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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sonst. Ich stopfte mir ein Kissen in den Rücken und ließ mich hineinsinken. Ich betrachtete die Schattengesichter, die die Lampe an die Wand warf. Sie waren zerklüftet und schief. Ich wiegte die Rumflasche. Dann packte ich sie am Hals und probierte aus, wie ich vorm Zuschlagen am besten Schwung holen konnte, falls das nötig wäre. Ich berührte meine Stirn mit der Flasche und versuchte mir ihren Aufprall auszumalen, wog ihr Gewicht. Dann verbrachte ich eine Weile damit, den Deckel auf- und wieder zuzuschrauben und an dem Rum zu riechen. Schließlich trank ich einen Schluck.
    Er war bitter, ich bekam ihn kaum runter. Aber durch die Nächte im Park mit meinen Kumpels war ich Hochprozentiges gewohnt. Ich war früher ziemlich gut darin gewesen, so zu tun, als wäre das, was ich da schluckte, richtig lecker und als wollte ich unbedingt mehr davon.
    Ich stürzte noch einen Schluck hinunter. Meine Kehle brannte wie mein Sonnenbrand, bloß diesmal in mir drin statt auf meiner Haut. Beim nächsten Schluck verzog ich das Gesicht, wie ich es aus Filmen kannte. Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Die Wüste lag ruhig und still da wie immer. Tödlich still. Es ist unglaublich, wie beängstigend totale Stille sein kann, wie sie dir den Kopf verdreht, wenn du es zulässt. In London war ich an laute Nächte gewöhnt, an das Hupen und die Rufe und das Getöse der Großstadt. London machte nachts Radau wie ein Affe. Die Wüste dagegen glitt lautlos um mich wie eine Schlange. Weich und ruhig und tödlich … vor lauter Stille musste ich unentwegt die Augen offen halten.
    Ich tickte mit den Zähnen gegen den Flaschenrand. Schließlich trank ich immer weiter, bis der Raum sich zu drehen begann und ich aufhörte, zu überlegen, ob das hier vielleicht meine letzte Nacht auf Erden war oder ob dieser Ort, wenn ich denn weiterlebte, alles wäre, was ich für den Rest meines Lebens zu sehen bekäme. Nach einer Weile beäugte ich die Schatten vorm Fenster nicht mehr. Die Dunkelheit draußen war mir egal. Und die Stille auch.
    Da fiel mir wieder ein, warum meine Freunde so gern getrunken hatten … es ging dabei ums Vergessen. Um das süße Gefühl, nichts über die Zukunft zu wissen.
     
     
    Ein Scharren weckte mich. Ich machte die Augen auf. Die Kommode bewegte sich, wurde von der Tür weggeschoben. Jemand versuchte reinzukommen. Ich wollte mich aufsetzen. Ich lag nur noch halb auf dem Bett, die Flasche hielt ich immer noch in der Hand. Es war noch Rum drin, aber die Feuchtigkeit um mich herum und der schale Geruch nach Alkohol machten mir klar, dass einiges davon aufs Bettzeug gelaufen sein musste. Ich tastete mich am Bett entlang. Die Flasche hielt ich fest umklammert, zum Zuschlagen bereit.
    Die Kommode rutschte zur Seite weg und dein zerkratzter Arm schob sich durch den Türrahmen. Ich senkte die Flasche, als du dich durch den Spalt quetschtest. Ich wich zurück, zu schwach und zu betrunken, um irgendwas anderes zu tun. Das graue Licht der Morgendämmerung fiel ins Zimmer. Du hast mich gemustert, die Flasche registriert und die Nase grümpft über den Geruch. Ich drehte mich von deinem Stirnrunzeln weg.
    »Ich musste was holen«, sagtest du. »Hat länger gedauert, als ich dachte.«
    Du versuchtest mich hochzuheben, aber ich kreischte, dass du mich in Ruhe lassen solltest, und donnerte dir die Flasche gegen die Brust. Darum bliebst du neben dem Bett stehen und schautest nur. Eine Weile später nahmst du mir die Flasche aus den Fingern und decktest mich mit einem Laken zu.
    »Ich mach dir Frühstück«, sagtest du schließlich.
    Ich schlief.
     
     
    »Steht auf der Veranda«, sagtest du.
    Ich schüttelte den Kopf und sofort schoss mir der Schmerz durch die Schläfen. Bis zur Veranda zu laufen, schien mir an diesem Morgen genauso unmöglich, wie von hier wegzukommen. Aber mir war klar, dass ich etwas essen musste.
    »Komm schon, ich trag dich.«
    Wieder schüttelte ich den Kopf, aber du hattest deine Arme schon um mich geschlungen und hobst mich hoch, bevor ich etwas dagegen tun konnte. Ich schloss die Augen. In meinem Kopf drehte sich alles und mir war total übel. Du trugst mich auf die gleiche Art wie die Zweige, die du manchmal einsammeltest – ein vorsichtiges Wiegen auf ausgestreckten Armen. Du gabst mir das Gefühl, genauso leicht zu sein wie sie.
    Du legtest mich aufs Rattansofa auf der Veranda. Dabei sah ich, dass deine Augen rot und müde waren, mit dunklen Rändern. Aber das Licht der Morgendämmerung lag auf deinem

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