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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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zugeschossen, hast sie abgelenkt und am Hals gepackt. Die Schlange wand sich und versuchte ihr großes, rosa glänzendes Maul in deine Nähe zu kriegen. Aber dein Griff war fest. Du hobst sie aus dem Sand hoch und hieltst sie ausgestreckt vor dir. Deine Lippen bewegten sich, du sprachst mit ihr, warst dabei nur Zentimeter weit weg von ihren Fangzähnen. Dann liefst du los, mit der Schlange in der Hand.
    Du gingst an mir vorbei und steuertest den zweiten Schuppen an. Als du rückwärts durch die Tür gingst, versuchte sich die Schlange um dein Handgelenk zu winden.
     
     
    Ich lag dösend auf dem Sofa im Wohnzimmer und kam erst zu mir, als das Licht nicht mehr grell und weiß war, sondern nach und nach immer gedämpfter und schließlich golden wurde. Ich sah zu, wie ein Sonnenstrahl über den dunklen Holzboden kroch und ihn kupferrot leuchten ließ. Später wanderte ich im Haus herum. Du warst nirgends. Ich zog mich um, fand im Flurschrank ein zusammengeknäultes weites T-Shirt mit der Aufschrift Rette die Erde und nicht dich selbst . Es saß so locker, dass es auf meiner Haut nicht allzu sehr schmerzte. Dann ging ich wieder nach draußen zur Kiste vor der Küchentür, setzte mich hin und wartete.
    Eine Schar Ameisen kroch über meine Knöchel, hoch am Himmel stieß ein Vogel einen schrillen Ruf aus. Meine verbrannte Haut schmerzte in der Hitze. Ich zog mein T-Shirt so zurecht, dass es den Nacken bedeckte. Ich streckte die Beine. Nach einer Weile schlenderte ich zu dem zweiten Schuppen hinüber, wo ich dich zuletzt gesehen hatte. Als ich näher kam, bemerkte ich, dass die Tür einen Spaltbreit offen stand, das Schloss baumelte lose am Türriegel. Ich spähte in die Dunkelheit, konnte aber außer grauen Schatten nichts erkennen. Zu hören war auch nichts. Ich stieß die Tür auf und ließ Sonnenlicht in den Raum fallen. Er stand voller Kisten, alle ordentlich aufeinandergestapelt. In der Mitte führte eine Art Gang hindurch.
    »Ty?«, rief ich.
    Keine Antwort. Ich lauschte. Ich bildete mir ein, irgendwo hinter den Kisten ein leises Schlurfen zu hören.
    »Ty? Bist du das?«
    Ich machte einen Schritt in den Schuppen. Die kühle Dunkelheit tat meiner Haut gut. Ich ging noch ein Stück weiter hinein, um lesen zu können, was auf den Kisten stand: Essen (Dosen), Essen (Nudeln, Reis, Hülsenfrüchte), Werkzeuk, Stromkabel … Die Wörter waren mit Bleistift geschrieben, in krakeligen, dünnen Linien, die mich an Spinnweben erinnerten. Das musste deine Schrift sein. Die Rechtschreibung war katastrophal. Ich warf einen Blick zurück zum Haus. Alles war so still, dass es mir wie eine Theaterkulisse vorkam und nicht wie das wirkliche Leben. Ich fuhr mit dem Finger über ein paar von den Kisten und wischte den Staub weg: Verbantszeug, Dekken, Handschuhe  … Ich ging ein Stück den Gang hinunter. Es interessierte mich, welche Vorkehrungen du getroffen hattest, was dir notwendig erschienen war für das Leben hier. Seile, Gartensachen, Nähzeuk, Damenhigiene … du hattest an alles gedacht. Je weiter ich ging, desto deutlicher wurde das Schlurfen. Es klang leise und scheu, eher nach einem Tier als nach dir.
    »Hallo?« Ich probierte es noch mal. »Ty?«
    Ein Stück weiter vorne öffnete sich der Gang, wurde deutlich breiter. Ich zwängte mich seitwärts zwischen den Kisten durch. Als ich die freie Fläche erreichte, war das Geräusch plötzlich ganz nah und schien von überall zu kommen. Ich drehte mich um. Auf beiden Seiten gab es abgeteilte Fächer und kleine Behälter, vom Boden bis auf Kopfhöhe. Manche von ihnen waren aus Glas, andere mit Draht bespannt. Im Innern nahm ich Bewegung wahr, ein leises Rascheln. Ich beugte mich vor, um näher hinzuschauen.
    Winzige Augen schauten mich an. Eine zusammengerollte schwarze Schlange hob träge den Kopf und eine Spinne, so groß wie meine Hand, huschte durch ihre Behausung. Ich machte einen Schritt zurück, holte tief Luft und betrachtete die Käfige erst einmal von hier aus. Vor allem wollte ich sichergehen, dass die Türen geschlossen waren. Ein Skorpion richtete warnend seinen Schwanz auf. Meine Beine zitterten. Es waren an die zwanzig Käfige, die mich umgaben. In den meisten waren Schlangen und Spinnen, daneben gab es ein paar mit Skorpionen. Andere Käfige sahen so aus, als wären sie leer. Wieso waren diese Tiere hier? Warum hattest du mir nichts davon erzählt? Meine Augen blieben an einer silbrig-braunen Schlange hängen. Sie sah aus wie die, die du am Morgen gefangen

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