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Ich zog mit Hannibal

Ich zog mit Hannibal

Titel: Ich zog mit Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Baumann
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schloss sorgsam die kleine Schnalle, die sich geöffnet hatte. Er sah mich mit dem einen Auge langean. »Es ist nur für alle Fälle«, sagte er. »Lebend sollen sie mich nicht bekommen.«
    Er gab mir den Gürtel. »Du hast nichts gesehen.«
    »Ich weiß von nichts«, sagte ich eingeschüchtert.
    Er legte sich wieder zurück. »Nun haben wir zwei Geheimnisse«, meinte er mit beruhigter Stimme, »den Traum vom Drachen und das Fläschchen im Gürtel. Von ihm weiß nicht einmal Silenos.« Er schwieg eine Weile und kam dann auf Suru zu sprechen. »Du verstehst dich gut mit ihm«, sagte er, »besser als Karthalo.«
    »Karthalo war ein guter Treiber«, sagte ich.
    »Das war er«, bestätigte Hannibal, »aber du bist mein kleiner Karthager.«
    Ich dachte immerfort an das blaue Fläschchen. Als ich das Zelt verlassen hatte, begann es in mir zu bohren: Warum trägt er Gift mit sich herum? Rechnet er damit, dass der Zug fehlschlägt? Will er sich eine Hintertür offen halten   – einen Ausweg, wenn es nicht weitergeht? Hat er Angst vor einem Ende, das nicht er in der Hand hat? Diese Gedanken setzten mir zu und einige Male erlag ich fast der Versuchung, mein Geheimnis mit Silenos zu teilen. Aber ich tat es nicht, selbst als er mich beim Grübeln ertappte.
    Eines Tages trug Hannibal keine Binde mehr. Er hatte sie abgerissen. Sein linkes Auge war tot. Unter der linken Hälfte der Stirne war ein dunkler Schlitz.
    »Ein Einäugiger auf einem Einzahn«, spottete Hannibal, als wir endlich aufbrachen. Über das Gebirge kam das Heer nun ohne besondere Mühe. Aber dann ging es durch Sümpfe. Oft wateten die Söldner bisüber die Knie in Wasser. Söldner und Pferde steckten in Nebeln. Nur Suru ragte über die Nebel hinaus, ein grauer Hügel, der sich gespenstisch verschob. Hannibal saß wortlos hinter mir auf dem Sattel, der mit Ziegenhaaren gepolstert war.
    Viele wurden krank in den Sümpfen. Hannibal sah sich nicht nach ihnen um. Er versuchte für die Gesunden zu tun, was in seiner Macht lag, schickte Reiter in alle Orte, die am Weg lagen, und ließ holen, was es dort gab. Wer sich widersetzte, büßte nicht nur seine Habe ein.
    »Der Hunger soll mir nicht einen einzigen Mann nehmen«, sagte Hannibal.
    Nach vier Tagen und drei Nächten hörten die Sümpfe auf. Wenige Stadien vor dem Trasimenischen See ließ Hannibal ein Lager aufschlagen. Nach zwei Tagen wurde ihm gemeldet, dass die römischen Legionen von Norden her im Anzug seien.
    »Nun werden wir sie fassen«, erklärte Hannibal seinen Vertrauten, »nicht weit von hier.«
    Er hatte sich in den zwei Tagen das Gelände angesehen und wusste, wo es am günstigsten für eine Falle war. Bei Einbruch der Dunkelheit ließ er Lagerfeuer entzünden, er ließ eine Nachhut zurück, die für die Feuer zu sorgen hatte. Die Römer waren bis auf Sichtweite herangekommen. Sobald es Nacht geworden war, zog das Karthagerheer nach Süden, am Fuß der Cortonischen Berge entlang.
    Vom Konsul Flaminius, der das Römerheer führte, wusste Hannibal, dass er ein Draufgänger wie Sempronius war. Zur Verfolgung der Karthager war er so überstürzt aufgebrochen, dass sein Pferd gebockt undihn Hals über Kopf abgesetzt hatte. Als Hannibal das berichtet wurde, meinte er: »Das Pferd wusste, was den Reiter erwartet.«
    Solange Hannibal seinen Truppen die Stellungen anwies, ritt er eins seiner Pferde. Erst gegen Morgen bestieg er Suru. An Hannibals Gesicht sah ich, dass alles auf eine Entscheidung zutrieb.

30
    An die Ränder des Trasimenischen Sees treten die Cortonischen Berge so nahe heran, dass nur ein schmaler Durchschlupf von Norden nach Süden bleibt. Auf dem Wege, der am Ufer entlangführt, kann auch ein Heer ziehen, aber es ist nicht Platz genug, um ein Heer in Kampfreihen aufzustellen. Den See säumt ein breiter Gürtel aus Schilf, das seine Wurzeln in sumpfigem Boden hat. Weiter hinaus wird der See tiefer. Die Cortonischen Berge steigen nicht jäh an   – aber wenn die Höhen besetzt sind, ist ein Entkommen über die Berge so gut wie unmöglich.
    Hannibal legte Ketten von Schleuderern und anderen Leichtbewaffneten von Höhe zu Höhe. In die Schluchten steckte er die erprobtesten Söldner und Reiter. Numidier auf schnellen Pferden hielten sich bereit, den Engpass an beiden Enden abzuriegeln. Als der Morgen anbrach, war die Falle für die Römer gestellt. Der See tat ein Übriges: Er bedeckte den Uferstreifen mit dichtem Nebel und ließ jedeSchlucht zu einem Nebelnest werden. Nur die Höhen blieben

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