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Ich zog mit Hannibal

Ich zog mit Hannibal

Titel: Ich zog mit Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Baumann
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hatte den Kopf gehoben. Er machte ein paar unruhige Schritte. Dann hob er den Rüssel. Es sah aus, als werde er brüllen. Aber er ließ den Rüssel fallen, stöhnte und stand wieder in sich gekehrt wie zuvor.

29
    Die Windstille hielt an und am nächsten Tag machte sich das Heer auf den Weg. Hannibal kehrte um, er traute dem Frühling nicht mehr. Er wollte für die Überquerung der Berge sicheres Wetter abwarten. Vom Apennin abgeschlagen, zog er zurück in die Ebene, in der uns der Winter festgehalten hatte.
    Mir war gleichgültig, wohin wir zogen. Silenos kümmerte sich um mich. Und Suru war da und auf ihm saß Hannibal hinter mir. Diese drei hatte ich nun noch: Silenos, Suru und Hannibal.
    Hannibal ritt nicht immer auf Suru. Oft ritt er eines seiner Pferde und manchmal ging er wie die Söldner zu Fuß. Er nahm alles auf sich, was sie zu ertragen hatten. Er schlief unter ihnen, auf bloßer Erde wie sie, zugedeckt von seinem Mantel, dessen Rot von Schlamm überkrustet war.
    Hannibal zog fast bis nach Placentia. In Stellungen zurückgeworfen, die er vor Monaten bezogen hatte, wartete Hannibal auf eine Sonne, stark genug, um den Untergrund fest und die Wege sicher zu machen. Noch waren die Flüsse, von Regengüssen und Schmelzwassern reißend, über die Ufer getreten und hielten die Niederungen überschwemmt.
    »Wie lange wird es so weitergehen?«, fragte ich Silenos.
    »Mit der Überschwemmung?«
    »Mit dem Krieg!«
    Silenos sah mich wortlos an.
    »Noch Monate?«
    »Jahre«, sagte Silenos.
    »Drei? Fünf?«
    »Vielleicht zehn. Oder zwanzig.«
    Ich sah über die grauen Wasserflächen dahin, auf die grundlosen Wege, die in die Senken führten. Ich dachte an die Bundesgenossen, die rasch gekommen und rasch wieder verschwunden waren.
    »Was sagt Hannibal?«, wagte ich zu fragen.
    »Ihm ist der Krieg nichts Neues«, erwiderte Silenos. »Er denkt nicht daran aufzugeben. Und er bringt es fertig, dass keiner in seinem Heer daran denkt. Seine Söldner hungern, sie sind verwundet und sehen wie Bettler aus, aber er gibt ihnen das Gefühl, sie seien die Herren der Welt. Hast du in all den Wochen, in denen es nicht weiterging, Anzeichen von Meuterei bemerkt? Es wird nie dazu kommen, weil Hannibal so ist, wie jeder von seinen Söldnern sein möchte: hart, kühn, durch nichts zu schlagen. Er hat seine wichtigste Waffe verloren: die Elefanten   – bis auf einen. Er zieht weiter. Und die Söldner folgen ihm. Für sie ist er der einzige Gott, an den sie glauben. Er weiß, dass hinter den Römern Rom steht und dass Karthago weit ist   – das macht ihn nicht irre. Er vertraut auf sich und auf diejenigen, die mit ihm ziehen.«
    Ich ließ Silenos nicht aus den Augen. »Und warum ziehst du mit ihm? Du warst gegen den Krieg.«
    »Ich bin gegen den Krieg«, sagte Silenos. »Aber nun ist Krieg. Und ich will dabei sein. Wie sollte ich einmal aufschreiben, wie alles war, wenn ich nicht alles selbst mitgemacht habe?«
    Meine Gedanken gingen zu Suru und ich hatte plötzlich Angst vor der nächsten Schlacht.
    »Wird Hannibal den einen Elefanten einsetzen?«, fragte ich Silenos.
    »Er wird versuchen, ihn durchzubringen«, meinte Silenos. »Du weisst, wie er an Suru hängt.«
    Seit Karthalos Tod waren Suru und ich mehr denn je in Hannibals Nähe. Er ritt manchmal auf Suru umher, um die Festigkeit der Wege zu prüfen. Noch immer lag viel Land unter einer Schlammflut.
    Die Augen Surus waren wieder heil. Aber Hannibals linkes Auge, das sich im Gebirge entzündet hatte, wollte sich trotz aller Fürsorge nicht bessern. Hannibal schonte sich nicht und schlief wenig. Schon von weitem war er an der Binde zu erkennen, die seine Stirn und die halbe linke Wange verdeckte. Niemals hörte ich ihn klagen; dabei wusste ich von Synhal, dass er nie ohne Schmerzen war.
    Ich hielt seine Waffen und Kleider in Ordnung und war oft in seinem Zelt. Wenn das kranke Auge ihn zu sehr peinigte, war er auf seinem Lager ausgestreckt. Er sprach dann nichts, das gesunde Auge war geschlossen. An seinem Atem hörte ich, ob er schlief oder wach war. Meist war er wach.
    Einmal, als er so lag, wach, aber mit geschlossenem Auge, bemerkte ich, dass aus seinem breiten Gürtel, der an einem der Zeltpfosten hing, etwas herausstand. Es war ein Fläschchen aus blauem Glas, ungewöhnlich klein und flacher als mein kleiner Finger. Als ich es in den Gürtel zurückschieben wollte, fuhr Hannibal auf. Er verlangte den Gürtel, schob das Fläschchen selbst in die verborgene Tasche zurück und

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