Ich zog mit Hannibal
an. »Du hast dem kleinen Karthager und mir das Leben gerettet. Bald ist der Krieg aus – steh auf!«
Suru erhob sich mit Mühe. Da sah ich Blutstreifen an den grauen Säulen, die ihn trugen. Am Hals und an der Schulter klafften handbreite Wunden.
»Alter, was hast du gemacht!«, fragte Hannibal betroffen.
Ich riss mich von dem Mann los, der mich verband, und machte ein paar Schritte auf Suru zu. Dann fiel ich vornüber und wusste nichts mehr.
31
Als ich wieder zu mir kam, lag ich in Hannibals Zelt. Silenos saß bei mir.
»Wo ist Suru?«, fragte ich.
»Mach dir um ihn keine Sorgen«, sagte Silenos.
Ich wollte aufstehen.
Hannibal kam zu mir her. »Bleib liegen!«, verlangte er streng. »Du musst gesund werden. Auf dich kann ich nicht verzichten.«
»Wie geht es Suru?«, fragte ich ihn.
»Er ging ganz von selbst hinter dir her, als wir dich wegtrugen«, sagte Hannibal.
Ich sah Silenos an und Silenos bestätigte: »Nicht einmal ein Treiber war nötig, wie ein Lamm ging er hinter dir her.«
Hannibal setzte sich wieder zu Mago und Monomach, die mit im Zelt waren.
»Versuch jetzt zu schlafen«, sagte Silenos leise.
Ich schloss die Augen. Ich sah Suru vor mir, wie ich ihn zuletzt gesehen hatte. Meine Wunde tat weh. Es bohrte in mir: Warum hat er geschrien? Die Schlacht war doch zu Ende. Warum hat er geschrien?Mit dem schrecklichen Schrei hat er den Krieg auf Suru gezogen und nun ist Suru verwundet –
Hannibal und Mago und Monomach sprachen über die Schlacht. Sie redeten laut, ich nahm nur Fetzen in mich auf: Bis zum letzten Mann … Das wird Rom den Rest geben …
»Ein paar tausend sind entkommen«, sagte Mago ungehalten.
»Schuld der Reiter!«, behauptete Monomach.
Hannibal versuchte ihn zu beruhigen. »Maharbal ist hinter ihnen her. Es waren Legionäre zu Fuß. Maharbal muss sie längst eingeholt haben. Er wird bald hier sein und melden, dass es sie nicht mehr gibt.« Hannibals Stimme hörte sich an, als spräche Monomach. Sie alle redeten so, dass ich kaum unterscheiden konnte, wer sprach. Manchmal stritten sie. Meine Wunde tat weh. Warum hat er geschrien? Nun ist Suru verwundet. Mein Kopf dröhnte von dem schrecklichen Schrei. Dann hörte ich nichts mehr. Keine der Stimmen kam mehr bis zu mir. Ich erwachte erst wieder, als ich eine neue Stimme vernahm. Es war Maharbals Stimme. In ihr war kein Hass und kein Hinterhalt. Ich hörte ihn und verstand jedes Wort, das er sagte.
»Nach zwei Stunden hatten wir sie eingeholt. Sie stellten sich auf einem Hügel«, berichtete er. »Sie machten den Hügel zu einem Kastell – ohne eine einzige Schanze, allein durch die Tapferkeit, mit der sie sich wehrten. Wir waren in der Überzahl, und sie wussten, dass es kein Heer mehr gab, das sie entsetzen konnte. Sie aber hielten sich, als hinge von ihnen der Sieg ab. Wir hatten größere Verluste als sie.«
»Aber schließlich habt ihr sie doch erledigt?«, erkundigte sich Monomach ungeduldig.
»Es wäre sinnlos gewesen weiterzukämpfen«, sagte Maharbal ruhig. »Ich brach den Kampf ab, als ich sah, dass er noch ein paar tausend der Unseren das Leben kosten würde.«
»Ihr habt einfach aufgehört?«, fragte Mago empört.
»Ich machte den Römern ein Angebot«, sagte Maharbal.
»Sie haben sich verbrüdert«, sagte Monomach höhnisch.
Maharbal ließ sich nicht aus der Fassung bringen. »Ich verlangte ihre Waffen und versprach ihnen dafür freien Abzug.«
»Und sie?«
»Legten die Waffen nieder.«
»Und du ließest sie laufen?« Mago stand erregt auf.
»Ich kam, um mir die Erlaubnis dafür zu holen«, erklärte Maharbal.
»Umstellt hast du sie hoffentlich«, sagte Monomach gehässig.
»Das habe ich nicht«, sagte Maharbal.
Im Zelt war es totenstill. Ich drehte den Kopf und konnte Hannibal sehen. Auf ihn waren alle Blicke gerichtet.
»Wie viele?«, erkundigte er sich, ohne Maharbal anzusehen.
»Etwa sechstausend«, meldete Maharbal.
»Nur Römer?«
»Nein«, sagte Maharbal, »es sind auch Hilfstruppen dabei.«
Hannibal sah ihn an. »Du wirst die Römer aussieben.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Maharbal.
Da erklärte Hannibal: »Alle Nichtrömer lassen wir laufen, damit sie zu Hause für uns reden – alle Römer aber werden zu Sklaven gemacht, wie sie es verdienen.«
»Ich gab ihnen mein Wort«, sagte Maharbal mit mühsam beherrschter Stimme.
Hannibal hielt eine Hand flach vor sein Gesicht und blies darüber hin, als pustete er Maharbal eine Feder zu. »Da hast du es
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