Ich zog mit Hannibal
frei.
Bei Sonnenaufgang begann der Nebel blutrot zu schimmern. Hannibal, der hinter mir auf Suru saß, blickte zufrieden auf die Falle nieder.
»Aus ihr entkommt keiner«, sagte er. Aus seinem Auge brach düsteres Feuer. »Der Nebel nimmt uns die Hälfte der Arbeit ab.«
Ich fragte, ob Suru eingesetzt werde.
»Angst um ihn?« Hannibal klopfte mir beruhigend auf die Schultern. »Ihm passiert nichts, du hast es erlebt. Ihm kann keiner etwas anhaben.«
Es war still am See und auf den Höhen. Alles hing davon ab, dass der Feind in die Falle einrückte, ohne Verdacht zu schöpfen. Aus dem Hinterhalt, der sich am See hinzog, durfte kein verräterischer Laut kommen. Söldner und Reiter wussten es und lagen auf der Lauer, ohne auch nur miteinander zu flüstern.
Lerchen stiegen aus dem Nebel und hingen verloren im Blau. Sie hielten sich nicht lange und fielen in die unabsehbaren weißen Nester zurück.
Es gab Getrappel von Hufen. Die karthagische Nachhut, die für die Feuer im Lager gesorgt hatte, zog sich eilig in den Engpass zurück. Sie hatte Befehl, mit dem Feind in Fühlung zu bleiben, ohne sich auf einen Kampf einzulassen; erst weiter im Süden, auf dem freien Felde, auf dem Maharbal mit seiner Reiterei bereitstand, sollte sie sich den Römern stellen und ihnen den Austritt aus dem Engpass verwehren.
Das Getrappel nahm zu. Römische Reiterei war der Nachhut auf den Fersen. Dann rückten Fußtruppenein. Ein lärmender Gespensterzug – so suchten die Römer unter der Nebeldecke ihren Weg.
»Besser könnte es nicht gehen«, sagte Hannibal zu Mago und Monomach und anderen Offizieren, die um ihn versammelt waren, um den Angriffsbefehl entgegenzunehmen und zu den Truppen zu bringen.
Ein Offizier der Nachhut tauchte aus dem Nebel auf und kam die Höhe heraufgeritten, so rasch ihn sein Pferd trug. Er berichtete, dass die Römer bei erster Dämmerung in das Lager eingebrochen waren; verblüfft, es verlassen vorzufinden, hatten sie die Feuer zerstreut und sich unverzüglich an die Verfolgung gemacht.
»Ihr Eifer hat noch nicht nachgelassen«, spottete Hannibal und deutete auf den Nebel hinab, aus dem der Lärm marschierender Legionen drang, deren Spitze, wie das Getrappel der Vorhut verriet, nun schon über die Mitte der Falle hinaus war. »Dabei haben sie doch Zeit: Sie haben den längsten Tag des Jahres vor sich – und auch wir!«, stellte Hannibal fest. Er entließ die Offiziere zu ihren Truppen. Einen Haufen Berserker und dreißig Reiter behielt er um sich. Die Berserker sollten ihre Waffen aneinander schlagen und brüllen, wie nur sie es konnten – zum Zeichen, dass es für die Karthager Zeit sei, sich auf die Römer zu stürzen.
Die Nebel begannen zu ziehen. An einzelnen Stellen lichteten sich die Nester. Helme und Rüstungen blinkten auf. Die Römer marschierten ahnungslos weiter.
Da kam vom Nordende der Falle ein Reiter. Er meldete, dass die letzten Legionäre eingerückt seien. Hannibal hob seinen Arm. Die Berserker brüllten undverursachten mit ihren Waffen ein Getöse, dass Suru die Ohren aufstellte und unwillig den Rüssel hob. Ich konnte ihn beruhigen, da die Berserker die Höhe hinabrannten, bis der Nebel sie schluckte. Am ganzen See entlang gab es nun Kampflärm. In gestaffelten Reihen stießen die Karthager auf Römer nieder, die mit Schrecken innewurden, dass sie umzingelt waren.
Der Nebel riss mehr und mehr auseinander. Hannibal hielt von Suru Ausschau wie von einem Turm. Nun zeichnete sich ab, was dort unten am See geschah. Es gab Römer, die sich erbittert wehrten; aber Fliehende rissen kämpfende Kohorten mit sich fort. Viele suchten auf eigene Faust einen Ausweg. Doch die Schluchten waren gesperrt, die Höhen abgeriegelt. Nur der See war offen. Verzweifelte wollten sich im Schilfgürtel verstecken. Sie versanken im Sumpf. Manche Römer stürzten sich schwimmend in den See. Die Rüstung zog sie nieder. Nach zwei Stunden Kampf gab es nur noch Versprengte, die um ihr Leben rannten oder ritten. Nur an einer Stelle hielt sich eine Kohorte und kämpfte in geschlossenen Reihen. Sie wehrte sich noch, als sich der Nebel verzogen hatte. Hannibal befahl mir, näher heranzureiten.
»Dort kämpft der Konsul um sein Leben«, sagte er. »Er darf nicht entschlüpfen.«
Plötzlich blieb Suru stehen und warf den Rüssel hoch und die Pferde der Reiter, die Hannibal begleiteten, versuchten auszubrechen.
»Was war das?«, fragte Hannibal die Reiter.
»Die Erde hat gebebt!«, riefen einige von
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