Ich zog mit Hannibal
ihnen.
»Die Angst der Römer hat sie angesteckt«, spottete Hannibal.
»Es war ein richtiges Erdbeben«, behaupteten einige Reiter und einer deutete auf den See hinaus. Wellen liefen gegen das Ufer bei völliger Windstille.
»Ein Erdbeben, ihr habt Recht«, sagte Hannibal, dass alle es hören konnten. »Italien zittert vor uns – hoffentlich bricht es nicht in Stücke.«
Er ließ Suru und seine Begleiter auf den Hügel über der kämpfenden Kohorte vorrücken. Sie war umzingelt. Immer mehr Karthager drängten gegen sie an. Am Ufer entlang lagen unabsehbare Reihen von Toten, vor allem Römer. Karthager, die nach Feinden Ausschau hielten, gab es genug.
»Es geht, wie es gehen soll«, hörte ich den Mann sagen, der hinter mir auf Suru saß. Aus seinen Worten und noch mehr aus dem Schweigen, das ihnen folgte, spürte ich den ungeheuren Willen, mit dem er die Lawine der Vernichtung ins Rollen gebracht und Söldner und Reiter und Pferde so gelenkt hatte, dass für die Römer nichts übrig blieb als der Tod. Und hätte mir in dieser Stunde einer gesagt, Hannibal habe den See und die Berge dorthin gerückt, wo sie waren, er habe den Schilfgürtel, die Schluchten und Hohlwege so gelegt, dass sie als Hinterhalt taugten, er habe dem Nebel befohlen zu steigen und der Erde zu beben – ich hätte es geglaubt. Der Nebel war liegen geblieben, solange es nötig gewesen war, die Falle zu tarnen; er hatte sich gehoben, um den Römern zu zeigen, dass es kein Entrinnen für sie gab. Alles hatte dazu beigetragen, Hannibals Sieg vollständig zu machen.
Die eine Kohorte, die noch kämpfte, schmolz zusammen. Schließlich drang ein Berserkerkeil in sie ein. Er stieß bis zum Konsul durch. Flaminius fiel,von einer Lanze getroffen. Die noch lebten, versuchten nun auszubrechen.
»Haut sie zusammen!«, schrie Hannibal.
Noch niemals hatte ich einen Menschen so schreien hören. Es war der Schrei eines Raubtieres, das auf dem Sprung ist zu töten.
Hannibal hetzte die Reiter einem Haufen von Römern nach, die ausgebrochen waren. »Lasst keinen entkommen!«
Da erschienen, als habe der furchtbare Schrei sie angezogen, von der anderen Seite zehn oder zwölf Römer. Ihre Waffen waren voll Blut. Es war ein verlorener Haufe, der nicht nach einem Ausweg suchte, sondern, entschlossen zu einer Verzweiflungstat, sich auf Hannibal stürzte. Die Legionäre hatten ihn erkannt. Das konnte nur er sein, der da im roten Mantel auf dem einzigen Elefanten, den es weit und breit gab. Atemlos vom Laufen und mit hassverzerrten Gesichtern kamen sie an.
»Kommt nur her und holt euch den Tod!«, schrie Hannibal. Er riss sein kurzes Schwert aus der Scheide. Ich hielt den Schild so, dass er auch Hannibal nach vorne deckte.
Suru sah die Römer. Unwillig grollte er. Als sie nicht stehen blieben, griff er sie an. Hannibal schrie noch einmal, da begann Suru zu rasen. Die Römer umzingelten ihn. Suru stampfte zwei Römer nieder, zwei weitere traf er tödlich mit seinem Rüssel. Einem schlug er die Lanze weg, packte ihn und schleuderte ihn in die Luft. Er brüllte und nun kamen von allen Seiten Karthager zu Hilfe, zu Pferd und zu Fuß.
Die Römer, die noch übrig waren, warfen ihre Lanzennach Hannibal. Hannibal schlug Lanze um Lanze mit seinem Schwert ab. Die Römer, selbst schon umzingelt, schleuderten ihre Schwerter, um ihn zu treffen. Hannibal lachte und schlug Schwert um Schwert ab. Er focht wie einer, den nichts treffen kann. Nur ein Schwert verfehlte er. Es fuhr mir in den rechten Arm und riss ihn vom Ellbogen bis zur Schulter auf.
Wenige Augenblicke später waren die Römer niedergemacht. Bis zuletzt hatten sie Hannibal angestarrt und verflucht.
»Dich hat’s erwischt«, hörte ich Hannibal sagen. »Gleich wirst du verbunden. Lass Suru niederknien!«
Suru kniete nieder, ohne dass ich den Befehl dazu gab.
»Nie hatte ich einen besseren Elefanten«, sagte Hannibal, als er von Suru stieg, »und nie einen besseren Treiber.« Er untersuchte meine Wunde. »So einer wie du stirbt daran nicht«, meinte er.
Suru stand nicht wieder auf, wie er es immer getan hatte, wenn er seiner Last ledig war.
»Er hat fünf erledigt«, rief Hannibal den Offizieren und Söldnern zu, »nehmt euch ein Beispiel an ihm!«
»Steh auf, Suru«, ermunterte ich ihn, während meine Wunde verbunden wurde. Suru machte einen Versuch aufzustehen. Er fiel auf seine Knie zurück. »Steh auf!«, wiederholte ich, »es ist alles vorbei.«
»Steh auf, Alter!«, redete ihn nun auch Hannibal
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