Ich zog mit Hannibal
wieder.«
Maharbal wurde bleich. »Sie kämpften nicht wie Römer«, sagte er, »von ihren Schwertern wären noch einige tausend deiner Männer gefallen. Sie gaben ihre Waffen im Vertrauen auf mein Wort her.«
»Und holen sich neue Waffen, wenn wir sie laufen lassen«, unterbrach ihn Hannibal. »Glaubst du vielleicht, dass sie dann weniger von uns umbringen?«
Maharbal gab keine Antwort.
»Du siehst das nicht ein?«, fragte Hannibal mit Schärfe.
»Nein«, sagte Maharbal, außer sich vor Erregung. »Das ist nicht mehr Krieg, das ist Mord.«
Da stand Hannibal auf. Alle erhoben sich. Hannibal trat drohend auf Maharbal zu. »Du willst mich darüber belehren, was Krieg und was Mord ist?«, fragte er mit bebender Stimme. »Du willst mir vorschreiben, was ich tun darf und was nicht? Du Besserwisser, lass dir ein für alle Mal sagen: Erlaubt ist im Krieg alles, was dem Feind schadet. Und was den Feind umbringt, ist gut, unbesehen! Für den Gegner gibt esnur ein Gefühl: Hass. Der Krieg ist kein Reiterspiel, sondern blutiger Ernst. Die Römer oder wir Sklaven, sie oder wir Herren der Welt – darum geht es. Willst du, dass sie auf uns treten, dass sie dich und mich wie Bostar und Hamilkar behandeln? Du Freund von Mördern, hör zu: Wenn Rom nicht fällt, dann fällt Karthago. Damit Karthago nicht fällt, müssen wir einiges auf uns nehmen – auch einen Wortbruch. Ich will dir etwas sagen: Ich nahm es auf mich, in Sagunt zwei Ratsherren, die für uns waren, von den Mauern stürzen zu lassen.«
»Du ließest das tun?«, fragte Maharbal entsetzt.
»Weil es nötig war«, sagte Hannibal kalt. »Der Stein musste ins Rollen gebracht und die Römer vor aller Welt ins Unrecht gesetzt werden. Das habe ich damit erreicht. Jedermann musste glauben, die Römer seien die Anstifter gewesen; denn dass ein Karthager die Hetze gegen Karthago in Gang gebracht hatte, wer sollte auf so einen Gedanken kommen – außer mir?« Hannibal maß Maharbal mit vernichtendem Blick. »So wird Krieg gemacht«, sagte er. »Ich hoffe, du weisst nun, was du zu tun hast, du Stümper! Oder willst du mir in den Rücken fallen?«
Maharbal war zurückgewichen.
»Worauf wartest du noch?«, schrie ihn Hannibal an.
»Ich kann das nicht tun«, sagte Maharbal ohne Stimme.
Da öffnete sich der schwarze Schlitz, in dem kein Auge mehr war. Ein entsetzlicher Blick traf Maharbal. »Du wirst sie aussieben«, keuchte Hannibal, »du und kein anderer! Ich gebe dir eine halbe Nacht Zeit.Geh! Und komm mir erst wieder unter die Augen« – Augen sagte er, obgleich er doch nur noch ein Auge hatte –, »wenn du meinen Befehl ausgeführt hast. Befehl ist Befehl!«
Nun kam keine Widerrede mehr. Maharbal war so getroffen, dass er wankte. Er ging wie ein Verwundeter. Hannibal starrte ihm nach. Ich ertrug es nicht länger, ihn anzusehen. Er sah aus, als habe er eben einen getötet.
Ich ergriff Silenos am Arm und richtete mich auf. »Bring mich aus dem Zelt«, flüsterte ich ihm zu.
Silenos half mir aufstehen. Gehen konnte ich allein. Hannibal starrte noch immer mit verzerrtem Gesicht, das mich an Monomach denken ließ, vor sich hin. Er bemerkte nicht, dass wir gingen. Er sagte nichts. Auch die anderen schwiegen. Ich begann mich vor Hannibal zu fürchten.
»Wo ist Suru?«, fragte ich Silenos, sobald wir aus dem Zelt waren. Es wurde bereits dunkel.
»Komm nur«, sagte Silenos. Er nahm mich am Arm, der nicht verwundet war, und führte mich auf sein Zelt zu.
»Wo ist Suru?« Angst stieg in mir auf und begann mir die Kehle abzuschnüren, Silenos zog mich in sein Zelt. Ich fragte ihn zum dritten Mal.
Er sah mich an. Sein Gesicht zuckte. Da wusste ich, dass Suru tot war.
32
Silenos führte mich zu meinem Lager. Ich machte willenlos die wenigen Schritte. Ich lag da und sagte kein Wort und starrte die Zeltdecke an. Sobald ich die Augen schloss, hatte ich Suru vor mir: mit klaffenden Wunden am Hals und Blutstreifen an seinen Beinen.
Das Zelt stand offen, kühle Luft wehte herein. Der Tag ging zu Ende. Der längste Tag des Jahres – so hatte Hannibal gesagt, als der Tag angebrochen war. Dabei hatte er hinter mir auf Suru gesessen. Nun war Suru tot und die Nacht kam unaufhaltsam.
Silenos zündete eine Lampe an. Er schloss das Zelt und setzte sich zu mir. Sein Gesicht war so hell, als habe sich alles Licht, das im Zelt war, auf ihm gesammelt. Niemals hatte ich dieses Gesicht verzerrt gesehen.
»Was macht der Arm?«, erkundigte er sich.
»Er tut nicht mehr
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