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Ich zog mit Hannibal

Ich zog mit Hannibal

Titel: Ich zog mit Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Baumann
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weh«, sagte ich, obgleich der Arm wehtat.
    »Morgen wirst du dich besser fühlen«, versprach mir Silenos. »Du hattest Glück: Der Riss ist nicht tief.« Er legte seine Hand auf meine Stirn und zählte die Pulsschläge an meinem Handgelenk. »Ich werde dir etwas zu trinken geben, damit du gut schläfst«, sagte er. »Es ist die kürzeste Nacht des Jahres   – du musst dich beeilen mit Schlafen.«
    Als er aufstehen wollte, um die Arznei zu holen, hielt ich ihn fest.
    »Ist es wahr, dass er hinter mir herging?«
    »Er ging hinter dir her, ohne Treiber«, wiederholte Silenos. »Er ging dir nach, bis er nicht mehr konnte.«
    Ich dachte an die zwei Wunden, die ich an Suru gesehen hatte. Sie waren nicht größer gewesen als die Wunde, die Karthalo ihm zugefügt hatte, um ihm zu helfen. »Es waren doch nur zwei handbreite Wunden«, wehrte ich mich.
    »Du hast nicht gesehen, was auf der anderen Seite war«, sagte Silenos.
    Ich bedrängte ihn, mir alles zu sagen. Er sah mich aufmerksam an und schien sehr nachdenklich.
    Und dann sagte er mir, wie alles gewesen war. Sie waren um Suru herumgegangen und hatten furchtbare Wunden an ihm entdeckt. Ein Schwert stak bis zum Heft in Suru und eine Lanze so weit, dass nur noch die Hälfte von ihr zu sehen war. Als Hannibal Schwert und Lanze herausgerissen hatte, war Suru in einen Schmerzenslaut ausgebrochen, als habe er eben die tödliche Wunde erhalten. Er hatte gebrüllt, dass alle erstarrten, auch Hannibal. »Suru schrie so, als klagte er um alle Elefanten, die vor ihm den Tod gefunden hatten, um alle, die mit ihm losgezogen und nun tot waren. Dabei stand er mit seinen vier Füßen in seinem Blut. Dich hatten die Söldner auf eine Decke gelegt und sie trugen dich weg, sobald dein Arm ganz verbunden war. Da setzte sich Suru in Bewegung und ging hinter dir her. Er wollte bei dir sein. Schon mit dem Aufstehen hatte er etwas vollbracht, das angesichts seiner schweren Wunden unfassbar war, und nun ging er dir nach, obgleich ihm jeder Schritt zur Marter wurde. Er wollte zeigen, dass er zu dir gehörte, und er ging dir nach, bis seine Beine den gewaltigen, verwundeten Leib nicht mehr trugen. Er wollte sich nicht von dir trennen. Alser niederbrach, hatte er nicht einmal mehr die Kraft für einen Schrei. Er stöhnte, kaum hörbar, aber sein Blick verriet, dass er litt. Hannibal ertrug es nicht länger zu sehen, wie Suru sich quälte. Er suchte nach Hammer und Meißel. Die Tasche am Elefantensattel war leer. Da nahm Hannibal sein kurzes Schwert, er hob einen schweren Stein auf. Und dann tat er es und er ließ dem Elefanten, der ausgelitten hatte, sein Schwert. Nun weißt du alles.«
    »Warum hat er es getan?«, fragte ich erbittert.
    »Er wollte ihm helfen. Er machte es mit wenigen Schlägen.«
    »Er hat ihn schon vorher getötet, mit seinem Schrei«, klagte ich Hannibal an. »Warum musste er schreien? Das brachte Suru den Tod.«
    Silenos gab es auf, ihn zu verteidigen. Meine Wunde tat weh. Er hat Suru getötet, bohrte es in mir. Alle Elefanten hat er auf dem Gewissen. Von neununddreißig Elefanten sind neununddreißig tot, nur weil er sie für seinen Krieg missbraucht hat. Ich musste an Maharbal denken und ich hatte Hannibals schreckliche Worte im Ohr: Ich war es, der die zwei Ratsherrn, die für uns waren, von den Mauern Sagunts stürzen ließ   … Er also hatte Sagunt zerstört, nicht die Römer hatten es getan. Karthalo hatte mich belogen oder er hatte es nicht anders gewusst, weil Hannibal ihn belogen hatte, ihn und alle, die mit ihm zogen. Er hatte Siege versprochen   – ich sah unabsehbare Reihen von Toten vor mir, die Toten am See, die Toten an den Flüssen, die Toten in den Schluchten. Ich sah Barmokar und Myrkan an den Pfählen stehen und alles, was Myrkan Hannibal entgegengeschrien hatte, fiel mir ein, Wort für Wort.
    »Myrkan hatte Recht«, sagte ich laut. »Er bringt mehr um als sein Vater Barkas.«
    Silenos hörte sich ohne ein Wort des Widerspruchs an, was ich vorbrachte.
    »Ich wollte ihn nie verlassen«, fuhr ich fort, »aber nun werde ich es tun.«
    »Wohin willst du gehen?«, fragte Silenos besorgt.
    »Wo kein Krieg ist, werde ich bleiben.«
    »Lass erst deine Wunde ausheilen«, sagte Silenos, »dann wird sich alles finden.«
    Ich suchte in seinem Gesicht, das ich so gut kannte, in seinen Augen und ich sah, dass sie nichts verbargen, und plötzlich kam mir zum Bewusstsein, dass er der einzige Mensch war, den ich noch hatte.
    »Und du?«, fragte ich, »was wirst du

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