Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten
die nächste Stadt hier im Umkreis - bekam eine meiner Botschaften in die Finger und ließ daraufhin ihre ganze Klasse lauter Sachen über Kanada herausfinden. So langweilige Dinge wie: »Es leben 32 Millionen Menschen dort.« Oder: »Zu den wichtigsten Exportgütern Kanadas zählen Holz und Aluminium.« Schließlich schickten sie mir in einem Umschlag die ganzen Daten und Fakten zu.
Mama verlangte, dass ich mich bei ihnen bedanken sollte, also malte ich ein Bild mit einem berittenen kanadischen Polizisten, der die Königin von England in seinen
Armen hielt und mit ihr in einem hölzernen Fass gerade die Niagarafälle hinuntersauste, wobei sie mit Ahornblättern aus Aluminium winkten und vor Begeisterung kreischten. »Vielen Dank für die Information«, schrieb ich dazu. »Hoffen wir nur, dass sie da drüben in Kanada auch ein bisschen Spaß haben. Hochachtungsvoll, Ida B. Applewood.«
Jedenfalls hatte ich Bindfaden, Papier, Daddys Hund und drei Kaugummis dabei, mit denen ich Blasen so groß wie mein Gesicht machen konnte, wobei ich allerdings immer darauf bedacht war, sie von Rufus fern zu halten, denn das letzte Mal, als er einer zu nahe kam, mussten wir ihm hinterher zwei Monate lang rosa Kaumasse aus dem Fell schneiden. Aber jetzt marschierte ich erst mal in Richtung Obstplantage.
»Hallo Beulah, hallo Charlie, hallo Pastel«, sagte ich. Das sind ein paar der Namen, die ich den Bäumen dort gegeben hatte. Alle Apfelbäume waren voller Blüten, und wenn du mitten unter ihnen standest, konntest du ihre Schönheit geradezu schmecken, wenn auch nicht so stark, dass es dich gestört hätte.
Ich saß schon unter Heinrich VIII. und machte mich gerade wieder an eine Zeichnung, die ich am Vortag begonnen hatte. Sie zeigte eine Plantage nach der Ernte, mit großen Körben voller Äpfel unter allen Bäumen. Mama und Daddy, ich, Lulu, die Katze, und Rufus, jeder von uns saß auf seinem eigenen Baum und aß ein Stück Apfelkuchen. Ich beschäftigte mich gerade mit Rufus, der ganz von einer Mischung aus Schlabber und Krümeln bedeckt war, und Lulu warf ihm einen Blick äußerster
Verachtung zu, als ich merkte, dass mir die Bäume überhaupt nicht geantwortet hatten.
Also, einige Leute werden jetzt vielleicht sagen: »Halt, halt, Ida B, du könntest noch ewig und drei Tage warten und würdest trotzdem die Bäume nicht reden hören, geschweige denn den Bach. Bäume haben keinen Mund, sie sprechen nicht und vielleicht solltest du lieber mal zum Arzt gehen und dich gründlich untersuchen lassen.«
Nachdem ich mir erst mal eine Minute Zeit genommen hätte, um Geduld und Nachsicht ihre Chance zu geben, meinen Mund vor einer Gehässigkeit zu bewahren, die mir schon auf der Zunge läge, würde ich einfach zur Antwort geben: »Es gibt mehr als einen Weg, sich einander etwas zu sagen, und es gibt auch mehr als einen Weg, einander zuzuhören. Wenn Sie noch nie gehört haben, wie Ihnen ein Baum etwas erzählt, würde ich sagen, Sie haben keine Ahnung vom Zuhören. Aber ich gebe Ihnen gern irgendwann mal ein paar Tipps.«
Also bot ich den Bäumen noch einmal eine Gelegenheit zu antworten und rief: »Ich hab euch allen ›Hallo‹ gesagt. Habt ihr mich nicht gehört?«
Doch statt des üblichen Chors aus lauter »Hi« und »Hey da« antwortete nur Viola: »Wie geht’s dir denn heute, Ida B?«
»Mir geht es gut an diesem Tag, der sich so perfekt entwickelt«, antwortete ich. »Aber was ist mit euch los? Warum seid ihr alle so still?«
Doch sie schwiegen weiter. Selbst die Lauten. Und sogar die Unverschämten.
»Hey, was habt ihr?«, brüllte ich.
Schließlich hörte ich, wie Gertrude flüsterte: »Sag du’s ihr, Viola.«
»Also gut«, antwortete Viola zurückhaltend flüsternd.
Und dann druckste und stotterte sie erst mal ein Weilchen. »Na ja…«, fing sie an und »Hmmm… ehhh… emmm…«, versuchte sie es noch ein zweites Mal, bis sie schließlich etwas herausbrachte. »Wie läuft’s denn bei dir so zu Hause, Ida B? Wie geht’s deiner Fam…«
Doch ehe sie ihren Satz beenden konnte, unterbrach sie dieser Punker Paulie T. »Wir haben ein Gerücht gehört, dass sich dir was Schlimmes in den Weg stellen soll, Ida B.« Wenn Bäume grinsen könnten wie leuchtende Halloween-Köpfe mit bösen Absichten, hätte Paulie T. genau das getan.
»Und wer hat dir das erzählt, Paulie T.?«, fragte ich, denn ich traute ihm nicht für fünf Cents, schon gar nicht, wenn es dabei um die Wahrheit ging.
»Ich gebe doch nicht meine
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