Idealisten der Hölle
KATASTROPHE
Arm, der Zwerg, spürte Gluthitze auf dem Rücken. Schwarzer Rauch stank und kräuselte sich über ihm. Die schwarzäugigen Ruinen waren fest verwurzelt und dauerhaft: Vielleicht dauerte der Verfall schon ein Jahrtausend, auf paradoxe Weise alterslos wie keltische Verliese und mittelalterliche Türme.
Vor ihm entfernte sich Harper taumelnd von der brennenden Maschine und fluchte unzusammenhängend vor sich hin. Sein langes, vogelhaftes Gesicht war in düsterem, unstetem Licht gezeichnet wie ein Gemälde von Bosch. Seine Stimme ging in dem langen, dumpfen Rollen der Explosion unter.
Zwischen ihnen Wendover: Sein Kopf hing auf der linken Seite herunter und schlug gegen Harpers Arm, Speichel tropfte von seinen offenen Lippen und auf den Ärmel seiner Seemannsjacke. Er war in einem kläglichen Zustand. Er hing durch wie ein nasser Sack, und seine Brust hob und senkte sich unter angestrengten, rasselnden Atemzügen. Seine Fußgelenke waren schwach.
Die Beine des Zwerges waren nicht für die zusätzliche Last geschaffen, er stolperte. Über Harpers Schulter warf er einen schnellen Blick zu dem Mädchen hinüber, das sich beeilte, aus der Reichweite des Lichts zu gelangen.
Die Explosion erfolgte in drei deutlich unterschiedenen Phasen. Gewöhnt an die todbringende Wirkung leichter Waffengattungen, zählte er sie: Reservekanister, gelb und fast lautlos, ein heißes Flüstern; Munitionskammer, eine wilde weiße Blüte, Prasseln; der eigentliche Tank, tiefes Gelb, von Metalloxyden gefärbt, das sich brüllend seinen Weg aus den Gedärmen bahnte. Wumm, wumm, wumm. Riesige Schatten fielen auf die Gebäude.
Das Licht erreichte seinen Hals und setzte ihn in Flammen. In Harpers Augen sah er seine Umrisse, die sich von seinem eigenen Feuer abhoben; Flammen züngelten um seine Glieder. Er schrie vor Entsetzen. Er ließ Wendovers Beine los und begann um sich zu schlagen, dabei brüllte er mit einer Stimme, die unter dem Fauchen des brennenden Tuppen nicht zu hören war: »Hilfe – Hilfe – Hilfe!« Schmerz zerrte an seiner Kopfhaut, seinen Schultermuskeln, seinem Gesäß. Er ließ sich fallen und wälzte sich auf dem Boden herum.
Harper erschien undeutlich über ihm. Er hielt den Arzt um die Schultern gestützt und versuchte gleichzeitig, seine Jacke auszuziehen. Morag rannte durch die lodernden Trümmer zurück und stieß klagende Laute aus wie ein Brachvogel. Das Kind geriet außer sich in ihren Armen. Harper ließ Wendover fallen und riß sich den Mantel vom Leib. Arm sah ihn auf sich niedersinken wie eine flügelschlagende schwarze Fledermaus. Darin eingehüllt, spürte er, wie die Flammen erstickten. Er war nicht allzu schwer verletzt.
»Gott«, sagte Harper, »allmächtiger Gott.« Es schien, als könne er nichts anderes sagen.
Arm erhob sich.
»Komm weiter«, murmelte er und knirschte mit den Zähnen. »Sie werden aufholen …«
Ein heftiger Schlag traf ihn am Steiß. Als er sich umdrehte, blickte er in ein mächtiges, verzerrtes Gesicht: der Mund ein festgefrorenes, breites Grinsen, die Augenhöhlen leer. Ein zweiter Schlag traf ihn am Ende der Wirbelsäule, er stieß die Faust in das nickende Entsetzen und fiel. Ein stilles Kichern folgte ihm hinunter.
Blut floß ihm aus der Nase, und unter der Wange spürte er kalten Kies.
Unfähig, sich zu rühren, beobachtete er Harper, der mit einem Haufen unglaublich hüpfender Wesen rang, aufgequollene, furunkelbedeckte Köpfe mit weißen, grobgezeichneten Gesichtszügen. Metallisches Gelächter schepperte durch die rote Dämmerung, aber die riesigen Fratzen waren unbewegt wie Totenmasken.
Harper feuerte seine Pistole einmal ab, stöhnte, brach zusammen. Morag schrie auf, rannte ziellos umher. Jemand trat Arm an den Kopf, und er fiel in ein schwarzes Loch im Boden.
*
Das eigenartige, unregelmäßige Licht des späten Nachmittags, das schräg durch helle Wolkenschleier fiel, hob sich vom nassen Asphalt ab, verwandelte Wassertropfen in Quecksilber und umspülte die schmutziggrauen, schrägen Flanken der Panzerkolonne der Fünften Republik, als sie im Gänsemarsch in ein kleines mittelenglisches Städtchen einlief. Vom Regen, der jetzt aufgehört hatte, war die Luft silbern und feucht. Donnergrollen wurde vom gleichmäßigen, röhrenden Stöhnen der Turbinenmotoren abgelöst.
Die Kolonne bestand hauptsächlich aus Tuppenpanzern mit vereinzelten leichten Rendell-Aufklärungsfahrzeugen, die behelfsmäßig mit 50-mm-Luntengeschützen ausgestattet
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