Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idealisten der Hölle

Idealisten der Hölle

Titel: Idealisten der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
Vom Netzwerk:
ebbte ab. Die Kolonne setzte sich langsamer als zuvor wieder in Bewegung.
    Die Stadt machte ihnen wenig Ärger und gab ihnen keinerlei Unterstützung; und da sie höchstwahrscheinlich in der gleichen Weise auf die Guerillas reagiert hatte, kümmerte sich niemand weiter darum. Ein paar Frauen verließen die Straßen, als das Aufklärungsfahrzeug vorüberstampfte und in verzerrtem militärischem Tonfall aus seinen Lautsprechern das Kriegsrecht ausrief. Sie griffen nach gewöhnlichen, krebsgezeichneten Kindern, die die Geschütze mit gewöhnlichen, abweisenden Blicken betrachteten.
    Sie hingen nach der Erschütterung des Zusammenbruchs zwischen Kulturgütern in der Luft und fragten sich, wann der normale Versorgungsbetrieb wieder aufgenommen würde. Nur die wenigen, die, wie Block, die Lage erkannt hatten, sahen in der Katastrophe die Gelegenheit, private Phantasien in die Tat umzusetzen. Die anderen saßen betäubt in muffigen Wohnzimmern und warteten darauf, daß die Fernsehapparate verkündeten, daß alles wieder zusammengeflickt sei. Sie kauften keine Spiegel und vermieden es, sich gegenseitig ins Gesicht zu sehen.
    Ein ausgemergelter Jugendlicher stand im Dachfenster eines Glockenturmes im Stadtzentrum, sein Gesicht war konturlos und eiterzerfressen. Er wollte eine selbstgebastelte Bombe werfen, als sich die Kolonne unter ihm vorüberwand. Als er, einen Namen rufend, den Arm hob, detonierte die Bombe. Mauerbrocken prasselten auf die Panzerplatte vor Arms Sichtschlitz. Ziegelstaub wurde ins Wageninnere gewirbelt.
    »Wer war dieser ›Trotzki‹ überhaupt?« fragte Arm.
    Es gab etliche Zwischenfälle wie diesen, grausam und unbedeutend: Arms Spezialwaffe wurde jedoch nur einmal benötigt, bevor sie den Ort verließen.
    Sie nahmen ihren Weg durch die Vororte, gesäumt von Gärten, die sich in Dickichte aus Lupinen und Stockrosen verwandelt hätten. Die feurig roten Lanzen der Lupinen standen in lebhaftem Kontrast zu den zerbrochenen Fensterscheiben und dem verfallenen Balkenwerk der Reihenbungalows, zu denen die Gärten gehörten.
    Der Marsden spürte eine magnetisch gesteuerte Vorrichtung auf, die in einem Kanalisationsrohr verborgen war. Er hielt an und ließ einen Trupp Suchexperten mit Metallhelmen und Brustplatten aussteigen. Während sie ausschwärmten, löste sich eines der Aufklärungsfahrzeuge aus der Kolonne, um sie zu decken. Die Gestalt in seinem Geschützturm schwenkte unruhig herum und suchte die Bungalows mit dem Fernglas ab. Sie hatten etwas Bedrohliches in ihrem Schweigen. Arm ließ den Motor leerlaufen und versuchte, sie sich vor der Katastrophe vorzustellen. Es gelang ihm nicht: Vielleicht waren die Gärten immer so gewesen, Dschungel.
    »Nun ja«, sagte Block weise, als er es ihm erklärte, »nun, ja.« Er legte die Bürste weg und schlief ein, wachte nur gelegentlich auf, um zu niesen, wenn ihm Blütenstaub in die Nase drang und seine Schleimhaut reizte.
    Die Techniker mühten sich mit einem Kanaldeckel in der Mitte der Straße ab und beschwerten sich mürrisch über das Wetter. Kurz darauf hoben sie den Deckel und begannen vorsichtig hinunterzusteigen. Der Vorgang dauerte eine Weile. Block schnarchte.
    Zur Rechten teilten sich die Bungalows um einen Komplex niedriger, flacher Gebäude, die ehemals eine Grundschule beherbergt hatten. Verblichene gelbe Linien teilten einen Asphalthof in Quadrate auf.
    Ein feines Hüsteln war zu hören. Der Leutnant im Geschützturm des Spähfahrzeugs stieß einen überraschten Laut aus: verschwand einen Augenblick später, als der Wagen aufbrüllte und explodierte. Eine Gewehrsalve folgte auf den Schlag, und zwei der Suchexperten, die oben geblieben waren, fielen mit merkwürdig zuckenden Gliedern über den Schacht.
    Mehrere Tuppen mit qualmenden Reifen bewegten sich auf den Rand des Schulhofes zu und begannen unaufhörlich in das Gebäude zu feuern. Die Fassade schluckte etwa zehntausend Schuß in der Minute, dann bebte sie. Sie brach zusammen und legte durchhängende Fußböden und zerbrochenes Mobiliar frei. Das ganze Gebäude fiel in einem Staubpilz lächerlich in sich zusammen. Die Tuppen zogen sich mit unwillig krachenden Gängen zurück. Vergleichsweise Stille.
    Unter den Trümmern hustete das PIAT-Geschütz von neuem. Ein weiterer Wägen flog in die Luft und schleuderte brennende Stücke um sich. Arm rüttelte Block wach.
    »An die Arbeit, wie immer«, sagte er.
    Er visierte den Heckenschützen an, der zwar in einem Keller gefangen, aber immer noch

Weitere Kostenlose Bücher