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Idealisten der Hölle

Idealisten der Hölle

Titel: Idealisten der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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standen und auf die Nonne warteten. Draußen hatte Meadows die Mähre einem seiner Untergebenen anvertraut und verrenkte sich den Hals, um mit Schwester Dooley, die sich aus der geöffneten Luke beugte, sprechen zu können. Wendover stellte fest, daß sich die übrigen Dorfbewohner in einiger Entfernung von dem LWN zu einer schweigenden, disziplinierten Gruppe versammelt hatten und, die Hüte in den Händen, ehrfürchtig vor sich hinblickten.
    »Sie nehmen jetzt die Dorfleute und führen die Sache aus, wie es sich gehört, denken Sie daran. Und treiben Sie sie zur Eile an, wir haben hier einen guten Teil des Vormittages vergeudet.« Sie stieg die Innentreppe hinunter und erblickte Arm.
    »Bleiben Sie da weg, junger Mann. Es ist schwierig genug, die Maschine in Betrieb zu halten. Ich bin kein Mechaniker.«
    »Ach wirklich«, sagte Arm. Dann mit einem höflichen Lächeln: »Nun, sie wird nicht mehr lange in Betrieb sein, nicht wahr? Ihre Einspritzdüsen sind hinüber, und es ist möglich, daß nicht mehr genug Werkzeuge da sind, um sie wieder in Ordnung zu bringen. Sie werden laufen müssen, und zwar recht bald.«
    Mit frostigem Schweigen ließ Schwester Dooley sich in ihrem Sitz nieder und zupfte umständlich und mit beachtlicher Geduld ihre Röcke zurecht.
    »Ich bin immerhin schon über vierzig«, sagte Arm.
    Der LWN hob sich unsanft und schlingerte: Einen Moment lang bewegte er sich seitwärts, und Wendover sah, wie ein scheuendes Pferd vor dem plumpen Bug zurückwich und mit unruhigen Hufen ausschlug. Schwester Dooley lenkte ihn sofort von der Straße hinunter, pflügte durch die Hecke und hielt sich mit voller Geschwindigkeit genau in östlicher Richtung.
    Sie handhabte das Fahrzeug mit einer seltsamen Mischung aus Umsicht und Nachlässigkeit, umging das eine Gehölz vorsichtig, um das nächste, genau gleiche mit ausreichender Triebkraft zu überrollen, um es zu entwurzeln, und ließ einen breiten Streifen der Zerstörung hinter sich. Wendover klammerte sich an seine Rückenlehne. Neben ihm hatte Arm mit dem gebannten Ausdruck eines Hasen, der einem Frettchen gegenübersteht, den Blick starr geradeaus gerichtet.
    Die heruntergekommene Landwirtschaft hatte Bäumen Platz gemacht, denen die Nonne ausweichen mußte. Wendovers »Wald« entpuppte sich als ein fünfhundert Meter langer Streifen von Tannen und Ulmen, der seinerseits von einem flachen, von schlammigen Bächen durchzogenen Sumpfgelände abgelöst wurde. Saatkrähen hielten ihre Hexenversammlung in den Ulmen und flatterten lustlos unter dem Himmel.
    Hinter Wolken von Sprühnebel flimmerte die feuchte Landschaft heftig. Der Lärm war unglaublich. Wendover berechnete nach der zitternden Tachonadel, daß sie bereits eine größere Strecke zurückgelegt hatten als die, die er am Morgen gelaufen war. Wenn die Schwester die Geschwindigkeit beibehielt, hatten die Dorfbewohner keine Chance, sie einzuholen.
    Das Fahrzeug streifte den Stamm einer Weide und hielt dann auf einen breiten, träge fließenden Strom zu. Wasserhennen flogen in entsetzten Schwärmen aus einem ausgedörrten Schilffeld auf.
    »Ostwärts?« schrie Arm Wendover ins Ohr, aber ihm war nicht klar, was er damit sagen wollte, bis sich die Wasserstraße einige Minuten später zu einer Bucht verbreiterte, die von verrotteten Ausflugsdampfern gesäumt war und er einen Blick auf das Meer, einen diesigen Horizont erhaschte.
    Morag stieß einen kurzen Ruf aus, lachte und deutete hinaus. Schwester Dooley erhöhte die Geschwindigkeit, donnerte an Inselchen und zerstörten Fischerschaluppen vorüber. Der Maschinenlärm schlug ungehört aus den Trümmern eines kleinen Hafens zurück. Sie riß das Fahrzeug um neunzig Grad herum und hielt sich jetzt, parallel zur Küste, in den seichten Gewässern vor einem steinigen Strand nordwärts.
    Arm zuckte die Schultern, schüttelte überrascht den Kopf.
    Es war jetzt unmöglich, auf das Inland zuzufahren: Zur Linken erhoben sich über die Wattlinie die dunklen Rücken der künstlichen Dünen, die, achtzig und hundert Fuß über den Meeresspiegel aufragend, gebaut worden waren, um Erosionen zu verhindern. Und Steuerbord ragten aus einer sich kräuselnden See die verlassenen Bohrtürme, einige neigten sich auf eingeknickten Stelzen zur Seite.
    Schwester Dooley stieß einen verdrießlichen Laut aus. Sie drosselte die Geschwindigkeit und riß das Fahrzeug zum Hafen herum. Die Dünen türmten sich riesig vor der Windschutzscheibe auf wie ein drohendes Unheil. Wendover

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