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Idealisten der Hölle

Idealisten der Hölle

Titel: Idealisten der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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klammerte sich krampfhaft fest. Er witterte Schiffbruch. Die Frau war wohl wahnsinnig.
    Im letzten Augenblick zuckten rechts und links hohe, dunkle Seitenwände vorüber, als der LWN in die Spalte schoß, die für eine Flußmündung in dem Dünenwall gelassen worden war. Das Meer wurde kleiner, als Schwester Dooley aufdrehte und wieder aufs Inland zuhielt.
    Nachdem sie zehn Minuten auf ihrem ursprünglichen Kurs zurückgelegt hatten, zog sie den Triebhebel zurück und brachte das Fahrzeug auf einem kahlen Sumpfgelände, das von niedrigem Buschwerk, Weiden und Holunder gesäumt war, zum Stehen. Sie waren dicht an ihrem Ausgangspunkt. Die Autostraße mußte irgendwo zu ihrer Rechten liegen. Einzelne Nebelschwaden zogen noch träge über das Moor, das dort, wo kein Schilf wuchs, schwarz und lehmig war. Ein Reiher beobachtete sie finster von einem verwesenden Baumstumpf.
    »So!« sagte die Nonne:
    Wendover konnte sich keinen Reim aus der unsinnigen Reise machen. Er setzte an, ihr das zu sagen.
    »Still jetzt«, sagte sie.
    In der Stille pulsierte es in seinen Ohren. Undeutliches Scharren und Keuchen wurde vernehmbar. Der Rahmen des Luftkissenfahrzeugs senkte sich und knirschte. Laute Rufe ertönten aus dem Gebüsch vor ihnen.
    »Ich schleiche mich hinter sie, verstehen Sie«, sagte sie, »dann haben wir sie zwischen uns.«
    Die Dörfler näherten sich durch das Unterholz, schwärmten zu einem vierhundert Meter langen Bogen aus und hielten genau auf den LWN zu. Die Frauen und Kinder johlten und lärmten, indem sie auf Eimer und Dosen schlugen. Die Männer droschen mit ihren Stangen auf das Gehölz, ihre Schläge fielen in einem Rhythmus, der von den beiden Reitern angegeben wurde. Meadows, am linken Ende der Reihe, formte vor dem Mund die Hände zu einem Trichter und rief seinem Gegenüber etwas zu. Der Bogen rückte dichter zusammen, wurde zu einer Falle, die sich zum Moor hin öffnete. Am Rande des Unterholzes war eine Bewegung zu erkennen.
    Drei ausgewachsene Mutanten hetzten auf das Moor zu. Das Laufen bereitete ihnen auf dem morastigen Boden Schwierigkeiten, sie drehten ihre langen eigentümlichen Köpfe hastig, um die Art der Verfolgung erkennen zu können. Ihre schuppige Haut war schlammverschmiert. Sie sahen den LWN und blieben so plötzlich stehen, daß einer von ihnen stürzte und den Speer fallen ließ.
    Gefangen zwischen dem Lärm der Schläger und dem Heulen von Schwester Dooleys Turbine, zögerten sie verwirrt.
    »Du dreckiges Schwein!« schrie Harper die Nonne an, denn er hatte lange genug bei Holloway Pauce gelebt, um die entscheidende Gedankenverbindung zu ziehen.
    Sie beachtete ihn nicht und gab Gas. Der LWN schoß vorwärts. Morag, das Kind und er purzelten auf dem Boden übereinander. Wendover faßte nach dem Sitz, verfehlte ihn und wurde zu Boden geschleudert. Die Beschleunigung drückte ihn nieder. Er dachte: Jesus, Jesus.
    Er arbeitete sich hoch. Es blieb ihm nichts anderes zu tun, als zuzusehen.
    Die Dorfbewohner hatten leichte Beute, sie überwältigten die Gejagten. Aber dann entstand ein Handgemenge, ein Treten und Stoßen, und einer der Mutanten brach plötzlich aus. Er wich Meadows und seiner Mähre aus, drehte sich und schlug Haken und brüllte in einer unbekannten Sprache und rannte pfeilschnell davon.
    Schwester Dooley gluckste und folgte ihm mit dem Fahrzeug. Sie parierte jeden seiner Sprünge und Haken mit dem schweren, plumpen Gefährt, ihre großartig begabten Hände fest am Steuerknüppel. Sie folgte seinen tiefen Spuren und hetzte ihn, bis er am Rande eines Baches zusammenbrach. Er lag da und keuchte, seine gelenkige Zunge zitterte.
    Das Fahrzeug berührte ihn fast, der Luftstrom besprenkelte ihn mit zähem, schwarzem Schlick und wühlte das Wasser hinter ihm auf. Er wartete zitternd, bis Meadows und ein paar Flußleute kamen und ihn holten.
    Als der Wagen stillstand, erhob sich Harper vom Boden. Seine Nase blutete. Jemand rüttelte an der hinteren Luke des Laderaums. Sie fiel mit einem lauten Schlag herunter und bildete eine Laderampe. Licht drang in den Raum. Wendover legte die Hand auf die Schulter des Krüppels. Er schüttelte sie ab.
    »Wer Sie auch sind«, sagte er zu der Nonne, die ihm den Rücken zugekehrt hatte, »Sie verdienen, daß man Sie umbringt.«
    Er ballte die Hand zur Faust. Sie hätte sein Spiegelbild in der Windschutzscheibe gesehen. Sie faßte schnell unter den Sitz und wirbelte mit einem Maschinengewehr herum. Es war zu spät für Wendover, um zu

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