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Idioten auf zwei Pfoten

Idioten auf zwei Pfoten

Titel: Idioten auf zwei Pfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edda Minck
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Bitte!«
    Violetta hatte sich schon wieder umgedreht, um in ihre Hütte zu gehen. Über mir raschelte Papier.
    »Bitte, noch sind die da oben nicht fertig. Sag doch was …«
    Sie hatte ein Einsehen, und wandte sich wieder mir zu. »Du scheinst ja gar nichts zu wissen. Also gut: Die Zweibeiner sind simpel gestrickt. Du wirst es herausfinden. Sie sagen dir, was du tun sollst, und du tust es. Ganz einfach. Dafür gibt’s Kost und Logis, hm, und ärztliche Betreuung. Mehr gibt es nicht zu berichten. Im Übrigen ist jetzt Zeit für meinen Schönheitsschlaf. Ich wünsche dir einen angenehmen Aufenthalt in unserem Land.« Mit diesen Worten zog sie sich endgültig in die ihre Hütte zurück.
    Die Frau schob indes Geldscheine über den Tisch und nahm meinen Reisepass in Empfang. Damit hatte sie mich in der Hand. Wir wissen ja schließlich, Alfonso, dass die Touristen-Pinkel gesagt haben, dass man ohne Pass nicht über die Grenze kommt. Und wenn   sie   meinen Pass hat, dann kann ich nirgendwo hin.
    Sie verabschiedete sich von den Leuten im Raum, zog an der Leine und sagte: »Nadannherrschröderkomm.«
    Ich fühlte mich nicht angesprochen, wusste nicht, was tun, und blieb sitzen. Wieder sagte sie: »Herrschröderkomm.«
    »Sie meint dich, Schröder, du Trottel«, hörte ich Violetta aus der Hütte grummeln.
    Warum nennt sie mich Schröder? Ich heiße nicht Schröder! Und was heißt »komm«?
    Und plötzlich, Alfonso, fiel es mir wie Schuppen von den Augen – sie glaubten, ich wäre ein gewisser Herr Schröder. Da lag das ganze Missverständnis!
    »Hey, hören Sie zu, Sie haben den Falschen gefangen genommen und verkauft. Ich bin nicht Herr Schröder«, sagte ich. »Bitte, Madame, Sie verwechseln mich mit jemandem. Das bin ich nicht. Ich bin El-Rei Dom João der Achtundzwanzigste aus Vila do Santo Chouriço in Portugal. Hören Sie mir doch mal zu, gnädige Frau!«
    Ich sprang an ihr hoch, um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, aber sie zog nur energischer an der Leine.
    »Jetzt geh schon mit. Sie wird dir nicht den Kopf abreißen. Du heißt, wie sie will, dass du heißt. So ist das eben. Até logo, Schröder.«
    »Adeus, Violetta«, stammelte ich und wurde aus dem Haus geschleift.
    Wir gingen über einen Weg auf einen Parkplatz zu. Ich sah Bäume und ein Feld vor mir und dachte, jetzt oder nie. Mit einem Riesensatz katapultierte ich mich nach vorn, dann schlug ich einen Haken nach links und einen nach rechts. Aber die Madame stolperte noch nicht einmal, und ich war keinen Meter weiter gekommen, sondern plumpste, von der Leine aufgehalten, auf den Allerwertesten. Alles, was sie sagte war: »Nananaherrschrödernichtsostürmisch.« Dann setzte sie mich in ein kleines, olivenfarbenes Auto, und wir brausten davon. An der nächsten Ampel versuchte ich, aus dem Wagen zu springen, und stieß mir den Kopf an der Fensterscheibe. Madame zog mich auf den Sitz zurück. Ich knurrte. Sie gab mir einen Knuff in die Seite und redete auf mich ein. Alfonso, es klang wie Ratatatata … Ich verstand gar nichts, nur, dass sie immer wieder zwischendurch »Herr Schröder« sagte.
    »João«, heulte ich dazwischen. »Ich heiße JOAOOOO!«
    »Schröder«, gab sie zur Antwort.
    »Nein, João!«
    »JaHerrSchröderwirsindgleichzuhause.«
    »Nein, João, El-Rei Dom João, der Achtundzwanzigste. Nachfahre von Seefahrern und Entdeckern, geboren in der großen Nation Portugal. Wann begreifen Sie das endlich?!«
    »JetztberuhigedichdochmalkleinerHundespassiertdirjanix«, plapperte sie und schaltete das Radio ein. Ich gab es auf und guckte aus dem Fenster – und, Alfonso, wir fuhren in eine so riesige Stadt, wie wir sie nie zuvor in unserem ganzen Leben gesehen haben. Es muss so ähnlich sein wie dieses Rom, von dem Assunta immer erzählt. Autos brausten in beängstigender Geschwindigkeit an uns vorbei, aber der Madame schien es nichts auszumachen. Die Straße, auf der wir fuhren, hatte drei Spuren. Drei!, die Madame willens war ausnutzen. Sie kurvte mit ihrer kleinen Kiste mal rechts, mal links. Es gab jede Menge Ampeln und riesige Busse, Lastwagen so groß wie Häuser, und Menschen, Menschen, Menschen.
    Alfonso, du kannst dir nicht vorstellen, wie groß mein Schrecken war. Hohe Häuser, so hoch, dass sie den Himmel berührten; sie klebten aneinander, ohne eine Lücke für einen Baum zu lassen. Straßen, Straßen, Straßen, endloser Asphalt, und dazwischen immer wieder Artgenossen, die an Leinen gefesselt von Menschen hinter ihnen hergezogen wurden.

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