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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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hat er mich beleidigt.«
    »Na gut, und was wirst du tun?«
    »Zu den Waffen greifen und ihn stürzen!«
    »Paolo! Das wirst du nicht! Den obersten Herrn der Christenheit angreifen! Er wird dich exkommunizieren!«
    »Wenn es mir gelingt, ihn von seinem Thron zu verjagen, wird |276| mir sein Nachfolger Absolution erteilen. Übrigens werde ich nicht den Papst angreifen, sondern das Oberhaupt des Staates.«
    »Vermutlich hast du mich kommen lassen, um meine Meinung zu hören?«
    »Keineswegs. Mein Entschluß steht fest. Ich brauche deine Hilfe. Du hast eine gute Truppe, und das Volk hört auf dich.«
    »Meine Hilfe beim Angriff auf den Papst!« rief ich mit gespielter Verblüffung. »Aber sieh mal, Paolo, ich bin ein guter Katholik.«
    »Ich auch.«
    »Das ist doch ein großes Risiko! Du verlangst von mir, meinen Besitz, mein Haus und mein Leben in einem Kampf mit ungewissem
     Ausgang einzusetzen.«
    »Ist es nicht die Pflicht der Orsinis, zu den Waffen zu greifen, wenn einer von ihnen beleidigt wird?«
    »Reden wir offen miteinander, Paolo«, sagte ich mit einem leichten Lächeln. »Nicht weil du beleidigt worden bist, willst du
     den Papst angreifen, sondern um Vittoria zu befreien. Und genau aus diesem Grund lehne ich es ab, dir zu helfen. Vittoria
     ist Witwe, und da mir Virginios Belange sehr am Herzen liegen, bin ich dagegen, daß du sie heiratest.«
    »Also kommt es dir gelegen, daß sie in der Engelsburg eingekerkert wurde?«
    Sein Ton und sein Blick ließen mich erstarren, und ich wußte nichts zu erwidern.
    »Willst du etwas trinken, Lodovico?« fragte er.
    »Nein, danke. Ich bin nicht durstig.«
    »Doch, du hast Durst. Du hast schon zwei- oder dreimal deinen Speichel heruntergeschluckt. Übrigens ist es heiß. Los, schenk
     dir ein. Und mir auch. Nimm den Becher, den du willst. So kannst du nicht denken, ich wolle dich vergiften …«
    Er lachte, und ich ebenfalls, mehr oder weniger gequält. Als ich die Becher gefüllt hatte, ergriff Paolo den, welchen ich
     ihm hinhielt, und als er sah, daß ich meinen nicht anrührte, leerte er seinen in einem Zuge. Da entschloß ich mich zu trinken,
     konnte jedoch diesen ausgezeichneten Wein nur mit Widerwillen hinunterbringen.
    »Lodovico«, fuhr er in zwanglosem Ton fort und setzte sich, »ich habe merkwürdige Dinge erfahren. Der Papst hat einen dicken
     Sack voller Piaster vom Vatikan zum Haus des Kardinals |277| di Medici in Rom bringen lassen; von dort wurde das Geld zum römischen Palast des Patriarchen von Venedig, derzeit Wohnsitz
     von Kardinal Cherubi, geschafft. Nach meinen Informationen enthält der Sack fünfzigtausend Piaster.«
    »Eine gewaltige Summe.«
    »In der Tat. Ist es nicht seltsam, daß eine so große Summe in Rom von Haus zu Haus unterwegs ist? Wer kann wissen, wem Cherubi
     sie übergeben wird? Kennst du Cherubi, Lodovico?«
    »Ja. Ich habe ihn einmal getroffen. Ich habe bei ihm gespeist.«
    »Wirklich?« sagte er lächelnd. »Und worüber habt ihr gesprochen?«
    »Über dieses und jenes.«
    »Über mich?«
    »Auch über dich.«
    »Was wollte er wissen?«
    »Ob du der Geliebte Vittorias bist.«
    »Und was hast du geantwortet?«
    »Daß ich darüber nichts wüßte.«
    »Nun, eine gute Antwort«, sagte Paolo eisig, »und du bist ein guter Verwandter, Lodovico. Und ich wünsche dir noch einen guten
     Tag …«
    Nach diesen Worten stand er auf und sah mich drohend an. Die Knie wurden mir weich, und ich ging rückwärts hinaus. Ich fürchtete,
     er würde mir seinen Dolch zwischen die Schulterblätter stoßen, falls ich ihm den Rücken zukehrte.
    Im Hof rief ich Alfredo. Er macht für Raimondo und mich den Reitknecht, da wir nicht genug Geld haben, uns jeder einen zu
     halten. Ich befahl ihm, Raimondo und seine vornehme Gesellschaft zu holen, und er brauchte gute zehn Minuten, um sie zu überzeugen,
     sich von dem Imbiß und ihren Bechern zu trennen und sich mir anzuschließen. Auf den ersten Blick sah ich, daß Raimondo unvernünftig
     viel getrunken hatte. Er war rot, sprach laut, sah herausfordernd in die Runde und schlug gegen seinen Degen.
    »Was hast du,
carissimo ?«
fragte er laut. »Wenn jemand meinen großen Bruder beleidigt hat,
affé di Dio!
, dem stoß ich meinen Degen in die Eingeweide. Lodovico, du bist ja totenbleich!«
    »Und du bist ganz rot! Mich hat niemand beleidigt. Los, zu Pferd! Hilf ihm, Alfredo!«
    »Ich brauche Alfredo nicht«, sagte Raimondo, ohne zu merken, |278| daß Alfredo ihm den Fuß schon in den Steigbügel steckte

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