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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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bin?«
    »Beschissener, mieser, niedriger Adel!« stieß Raimondo hervor.
    »Halt den Mund, Raimondo«, sagte ich, »und laß mich reden!«
    »Niedriger Adel, gewiß«, erwiderte der Bargello in beißendem Ton, »aber ich habe nie Diener gehabt, die in den Nora-Bergen
     die Reisenden ausrauben und ermorden!«
    »Du Hundsfott wagst, die Ehre der Orsinis anzutasten!« heulte Raimondo auf. »Ich werde dir deine Worte in den Rachen zurückstopfen!«
    »Halt, Raimondo! Du gehst zu weit«, sagte Silla Savelli, der von sanfter und versöhnlicher Natur war.
    »Laß mich ausreden!« schäumte Raimondo, rasend vor Wut. »Ich werde diesem Hundsfott und seinen stinkenden Sbirren bei lebendigem
     Leibe die Haut abziehen. Aber vorher will ich ihn züchtigen«, fuhr er fort und hob die Reitpeitsche.
    »Keine Gewalt, Signore!« rief der Bargello. »Die Lunten unserer Arkebusen sind gezündet. Und meine Sbirren lassen sich nicht
     gerne Trotz bieten oder beschimpfen.«
    »Das werden wir ja sehen!« tobte Raimondo und hob die Peitsche noch höher.
    Silla Savelli zu seiner Rechten drängte sein Pferd gegen das von Raimondo und packte diesen am Handgelenk, doch Raimondo befreite
     sich mit einem Ruck und ließ seine Peitsche mit aller Kraft auf das Gesicht des Bargello niedersausen. Alle waren wie gelähmt.
     Ungläubig sah ich das Blut über das Gesicht Della Paces rinnen und von seiner rechten Wange herabtropfen. Dann wandte sich
     der Bargello im Sattel um. Er tat nicht das, was ich später aus sachdienlichen Gründen behauptet habe: er gab seinen Leuten
     keinen Schießbefehl. Er begnügte sich damit, ihnen sein blutüberstömtes Gesicht zu zeigen. Die Sbirren gaben sofort Feuer.
     Der Lärm war betäubend, und als sich der Rauch aus der engen Straße verzogen hatte, waren die Sbirren mit ihrem Chef umgekehrt.
     Ich stieg vom Pferd. Fünf der Unseren lagen auf dem Pflaster: Raimondo, Silla, Pietro Gaetano und zwei Mann der Eskorte.
    Der Bader, den ich unverzüglich herbeiholen ließ, gab mir wenig Hoffnung für Raimondo und Silla. Beide starben eine |281| Stunde später, ohne die Letzte Ölung erhalten zu haben. Im Leben so eng vereint, daß sie alles – sogar ihre Mätressen – miteinander
     teilten, gaben sie beinahe gleichzeitig den Geist auf.
    Die Nachricht von den todbringenden Schüssen der Sbirren verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Rom; schon bald nach Mittag
     versammelte sich der gesamte römische Adel in meinem Hof und defilierte voller Schmerz und Zorn an den Toten und Verwundeten
     vorbei. Alle ballten die Faust und schworen dem Bargello und den Sbirren Rache. Und das einfache Volk, das den Adel ebenso
     liebte, wie es den Papst haßte, belagerte bereits mein Tor und forderte Waffen und Fackeln, um »den alten Fuchs in seinem
     Vatikan auszuräuchern«.
    Paolo kam eine Stunde später, und bei seinem Erscheinen ging eine lebhafte Bewegung durch die Reihen der Adligen, denn alle
     kannten seine militärischen Fähigkeiten und sahen ihn bereits als Führer der Rebellion.
    Er kniete vor den beiden Toten nieder und betete lange, und als er sich wieder erhob, berichtete ihm Alfredo, der in seiner
     Nähe stand, ausführlich über das Geschehene. Paolo ging an mir vorbei, als sähe er mich nicht, dann aber besann er sich, kam
     zurück, umarmte mich, küßte mich auf die Wange und sagte mir ins Ohr: »Und jetzt: mir nach! Es gibt keine andere Wahl!«
     
     
    Seine Exzellenz Luigi Portici,
    Gouverneur von Rom:
     
    Meiner Meinung nach gibt es in einem Staat nichts Unheilvolleres als die Geheimdiplomatie. Denn wenn einige Würdenträger des
     Herrschers mit seiner Zustimmung eine Politik betreiben, die den anderen Ministern unbekannt bleibt, kann es geschehen, daß
     letztere in bester Absicht Maßnahmen ergreifen, die den ausgeklügelten Plänen der ersteren entgegenstehen und sie scheitern
     lassen. So kann eine Regierung in die lächerliche und gefährliche Situation einer Schlange geraten, die, statt den Gegner
     anzugreifen, sich selbst in den Schwanz beißt.
    Genau das ist im Falle von Lodovico Orsini passiert: ich, der Gouverneur von Rom, bin in völliger Unkenntnis darüber gelassen
     worden, daß der Vatikan durch Vermittlung von Kardinal Cherubi mit dem Grafen in Verhandlungen getreten war, um sich |282| seiner Neutralität für den Fall zu versichern, daß Fürst Paolo eine offene Auseinandersetzung mit dem Papst suchen würde.
    Diese heimliche Übereinkunft hat äußerst schwerwiegende Folgen nach sich gezogen.

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