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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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und
     bemerkte:
»Veramente costui è un gran frate.«
1
    Dieses Wort ging von Mund zu Mund und kam nach einer knappen halben Stunde auch mir zu Ohren. Vielleicht muß ich an dieser
     Stelle erwähnen, daß mein Herr Franziskaner gewesen ist und daß Papst Gregor XIII. mit dem geringen Volk ein merkwürdiges
     Vorurteil teilte: er hielt diese Mönche für scheinheilig. Mit anderen Worten, die »Vergebung der Sünden« war nur Täuschung.
     Der Kardinal Montalto hatte nichts anderes im Sinn, als Nachfolger des Papstes zu werden, und schonte den Fürsten Orsini,
     um ihn für den Zeitpunkt der Wahl nicht zum Feind zu haben.
    In den Palazzo zurückgekehrt, wiederholte ich Seiner Eminenz, wie es meine Pflicht war, den Ausspruch des Papstes. Er hob
     seine mächtigen Schultern und sagte mit zusammengebissenen Zähnen: »Und ich wäre einfältig genug gewesen, von
diesem Mann da
Gerechtigkeit zu verlangen! Ihr werdet sehen, Rossellino – außer weinen und reden tut er nichts!«
    »Dieser Mann da«, wie Seine Eminenz den Papst zu nennen |272| sich nicht scheute – seine einzige sprachliche Entgleisung in bezug auf Seine Heiligkeit –, ließ nach einer Woche meinem Herrn
     den Untersuchungsbericht des Bargello zukommen. Seine Eminenz las ihn mehrmals sehr aufmerksam durch; sein Gesicht zeigte
     keine Reaktion, und er gab auch keinen Kommentar ab. Aber als nach einer weiteren Woche Vittoria festgenommen wurde, war es
     mit seiner Gelassenheit vorbei. Er verriet lebhaftesten Unwillen und rief: »Welch eine Rechtsverweigerung! Und welch ein Fehler!«
    Wenig später – ich spürte, daß ihn diese Angelegenheit immer noch beschäftigte – erlaubte ich mir die Frage, warum er die
     Verhaftung Vittorias für einen Fehler halte. »Ein zwiefacher Fehler!« sagte er,
» Primo
, weil nichts im Bericht des Bargello auf ihre Schuld hinweist.
Secundo
und vor allem: es ist ein politischer Fehler. Wenn der Papst den Fürsten für schuldig hält, muß er entweder den Mut haben,
     ihm offen die Stirn zu bieten, oder aber gar nichts unternehmen. Die Verhaftung Vittorias ist einfach lächerlich. Wer nur
     so tut, als ob er handle, in Wirklichkeit aber nichts unternimmt, enthüllt bloß die Schwäche, die er verbergen will.«
     
     
    Lodovico Orsini, Graf von Oppedo:
     
    Ich fühlte mich nicht sehr wohl in meiner Haut, als Paolo mich in einer eiligen Botschaft zu sich nach Montegiordano bat.
     Bereits vor dem Eintreffen des Boten hatte ich einigen Grund zur Sorge. Die Corte hatte die beiden Banditen, die für uns in
     den Nora-Bergen operierten, so in die Enge getrieben, daß ihnen nichts Besseres einfiel, als in Rom Unterschlupf in meinem
     Palazzo zu suchen. Das war um so dümmer und gefährlicher, als das Recht der Asylgewährung, das Paolo in Montegiordano ausübt,
     der jüngeren Linie nie zuerkannt worden ist, sosehr Raimondo und ich uns darum bemüht haben.
    Der impulsive Raimondo wollte die beiden Burschen sofort wegjagen.
    »Wenn sie von der Corte festgenommen werden und unter der Folter aussagen, ist es um uns geschehen«, meinte er.
    »Sieh mal,
bruto «
, sagte ich (und da er zusammenzuckte, als er seinen Spitznamen hörte, legte ich ihm meinen Arm um die Schultern und küßte
     ihn auf die Wange), »wie willst du sie loswerden, |273| ohne daß alle Leute, die auf unserem Hof kampieren, es mitkriegen? Und wer würde uns nach einem solchen Verrat noch trauen?
     Wenn wir selber unser Recht auf Asylgewährung nicht ernst nehmen, wer soll uns dann noch respektieren?«
    »Und was tun wir, wenn der Bargello mit seinen Sbirren vor unserem Tor steht?«
    »Wir unterhandeln so lange mit ihm, bis wir unsere zwei Banditen im Keller versteckt haben, und erst dann lassen wir die Sbirren
     herein.«
    »Wir lassen sie rein?«
    »Ja, wenn es nicht zu viele sind.«
    Raimondo zog ein schiefes Gesicht und wollte gerade weiterreden, als Paolos Abgesandter mit der erwähnten Botschaft erschien.
    »In einer Stunde werde ich in Montegiordano sein«, sagte ich und warf dem Mann einen Piaster zu.
    Eine Geste, die ich alsbald bereute, waren unsere Gelder doch beinahe erschöpft. Warum müssen wir Adligen immer tun, was die
     Bauerntölpel von uns erwarten? In gewissem Sinne sind sie unsere Herren! Was habe ich mir für Mühe gegeben, dem einfachen
     Volk zu gefallen. Bei den großen Festen in Rom habe ich vor meinem Tor sogar ein Faß Wein anstechen lassen! Um den Pöbel umsonst
     zu tränken!
    »Das paßt mir gar nicht«, sagte ich mit umdüsterter

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