Idol
Erklärung?«
|304| »Ja, Signore«, sagt die Signora eisig.
»Also gut«, sagt der Fürst, dessen Verwunderung langsam dem Zorn weicht, »da Ihr eine Erklärung fordert, hier ist sie: Eure
Befreiung ist der Preis, den der Papst zahlen mußte, um seinen Thron zu retten.«
»Und wer hat Euch erlaubt, mich gegen einen Thron einzutauschen? Habe ich in diesen Kuhhandel eingewilligt? Habt Ihr mich
gefragt?«
»Euch gefragt? Wenn es um Eure Befreiung geht?«
»Meine Befreiung! Ihr wagt, meine Anwesenheit hier Befreiung zu nennen? Wo doch Montegiordano der schlimmste – wohlgemerkt:
der schlimmste – Kerker für mich ist, da er mich ehrlos macht.«
»Montegiordano macht Euch ehrlos?« schreit der Fürst, aufs äußerste erzürnt. »Nennt Ihr es Ehrlosigkeit, meine Frau zu werden?«
»Oh«, ruft sie, erhebt sich und sieht ihn mit blitzenden Augen an, »das also ist es! Ihr tauscht mich wie eine Ware ein, und
die Ware muß es zufrieden sein, auf Lebenszeit Euer Eigentum zu werden. Aber wenn all die Intrigen und das viele Blut nur
diesem Ziel gedient haben, werde ich niemals die Frau eines Edelmanns sein, der sein Wort so feige gebrochen hat wie Ihr!«
»Vittoria!« Der Fürst ist bleich vor Zorn und Bestürzung. »Was sagt Ihr da? Wollt Ihr mich verhöhnen? Ich soll mein Wort gebrochen,
feige gehandelt haben? Dafür schuldet Ihr mir Beweise, sofort!«
»Beweise?« sagt die Signora spöttisch. »Vielleicht ein Duell! Wählt die schnellste Lösung: tötet mich! Und wenn Euch dazu
der Mut fehlt, folgt Eurer natürlichen Neigung, mietet einen Mörder. Oder wenn Ihr noch ein Fünkchen Menschlichkeit in Euch
habt und mein Leben schonen wollt, so gewährt mir eine letzte Gnade: bringt mich auf der Stelle in die Engelsburg zurück!«
»In die Engelsburg zurück?« fragt der Fürst fassungslos.
»Ihr habt mich befreit, also bin ich frei – nicht wahr? Und da ich frei bin, sage ich Euch aus freiem Entschluß: ich will
keine Minute länger bei Euch bleiben.«
»Was Ihr da sagt, Vittoria, ist völlig unsinnig!«
»Im Gegenteil, es ist sehr vernünftig. Ich wiederhole noch einmal: jede Minute hier bei Euch entehrt mich und macht |305| mich vor aller Augen zu Eurer Mätresse und zur Komplizin des Mörders meines Mannes.«
»Was sagt Ihr da?« ruft der Fürst empört. »Ich bin weder direkt noch indirekt der Mörder Francesco Perettis. Wie konntet Ihr
auch nur eine Minute glauben, ich hätte meinen Schwur von Santa Maria gebrochen, niemals nach seinem Leben zu trachten?«
»Wie soll ich Euch glauben?« fragt die Signora.
Aber ich sehe deutlich, wie sehr die Vehemenz des Fürsten sie erschüttert hat. Leise fährt sie fort:
»Wer anders als Ihr hatte Interesse an seinem Tod?«
»Ich erlaube Euch nicht, an meinem Wort zu zweifeln, Vittoria«, sagt er nachdrücklich. »Ich beteure und wiederhole: weder
direkt noch indirekt habe ich etwas mit dem Mord zu tun! Ich schwöre es Euch bei meinem Seelenheil.«
Der feierliche Schwur beeindruckt die Signora, und sie weiß nichts zu entgegnen. Für kurze Zeit. Als sie von neuem zu sprechen
anhebt, ist die anfängliche Heftigkeit der Verzweiflung gewichen.
»Ob Ihr nun schuldig seid oder nicht, Signore, das ändert leider nichts. Niemand, der von meinem Aufenthalt hier erfährt,
wird mehr an Eure oder meine Unschuld glauben. Meine Anwesenheit hier verdammt uns beide, Euch als den Mörder von Francesco,
mich als die Ehebrecherin und Eure Komplizin. Mein Entschluß bleibt deshalb unumstößlich: ich verlange, daß Ihr mich sofort
nach der Engelsburg zurückbringt.«
»Noch einmal: das ist Wahnsinn! Versteht Ihr denn nicht, daß Eure freiwillige Rückkehr ins Gefängnis dem Eingeständnis Eurer
Schuld gleichkommt? Hört mich an«, fährt er mit verhaltenem Zorn fort, »ich sehe, daß ich Euch nicht überzeugt habe und daß
Ihr bei Eurem unsinnigen Entschluß bleiben wollt. Also gut, gewährt mir wenigstens die Frist einer Nacht. Ich flehe Euch an:
überlegt es Euch gut. Denkt nach, ehe Ihr Euch freiwillig für den Rest Eurer Tage in den Kerker Eures schlimmsten Feindes
begebt. Eine Nacht, mehr verlange ich nicht! Eine Nacht zum Nachdenken!«
Nach diesen Worten macht er abrupt kehrt und geht. Er ist blind vor Zorn, so daß er beim Verlassen des Zimmers mit der linken
Schulter gegen den Türrahmen stößt – und ich bin sicher, er hat es nicht einmal gemerkt.
|306| Die Signora setzt sich wieder an ihren Platz: tränenlos, starr und unbewegt,
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