Idol
die Arme über der Brust verschränkt.
Das verblüfft mich. Ich habe etwas anderes erwartet: daß sie sich gehenläßt und in Schluchzen ausbricht. Doch nein, sie weint
nicht, preßt die Lippen fest aufeinander und sitzt stocksteif da. Und das scheint mir plötzlich nichts Gutes für unsere Zukunft
zu verheißen.
»Mit Verlaub, Signora, wollt Ihr wirklich ins Gefängnis zurück?« frage ich.
»Ja.«
»Bis an Euer Lebensende?«
»Ja.«
»Selbst jetzt noch, wo Ihr wißt, daß der Fürst den Signor Peretti nicht getötet hat?«
»Ich weiß nicht, ob ich ihm glauben darf.«
»Oh, doch, Ihr glaubt ihm, Signora!«
»Warum fragst du, wenn du besser weißt als ich, was ich denke?«
»Weil nichts Euch hindern kann, den Fürsten zu heiraten, wenn er Signor Peretti nicht getötet hat!«
»Wirklich?«
»Meiner Meinung nach wäre das vernünftiger, als ins Gefängnis zurückzukehren.«
»Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt.«
»Verzeihung, Signora, aber vielleicht darf ich meine bescheidene Meinung äußern, weil ich ja auch ins Gefängnis zurück muß,
wenn Ihr zurückgeht.«
»Niemand zwingt dich, mir dorthin zu folgen.«
»Ich folge Euch, weil ich Euch liebe und weil ich keine andere Wahl habe.«
»Wieso keine andere Wahl?«
»Signora, seht Ihr mich vielleicht ohne Euch im Palazzo Rusticucci, unter der Fuchtel von Giulietta? Oder noch schlimmer:
in Grottammare – nach allem, was der Pfarrer über mich von der Kanzel herab gewettert hat?«
»Wenn ich dich so höre, müßte ich den Fürsten allein schon dir zuliebe heiraten.«
»Und auch, weil Ihr ihn liebt.«
Sie schnellt wie eine Feder in die Höhe, kommt auf mich zu und sieht mich wütend an. Aber diesmal gebe ich nicht nach. Ich |307| rühre mich nicht von der Stelle und weiche nicht um Daumesbreite. Auch ich habe ein Wörtchen zu sagen! Und ich will es ihr
sagen. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
»Nein, ich liebe ihn eben nicht, du dumme Gans!« sagt sie. »Das heißt, ich liebe ihn nicht mehr.«
»Signora, das könnt Ihr vielleicht ihm weismachen, denn er ist ein Mann, aber nicht mir, die ich eine Frau bin. Ich weiß genau,
daß Ihr Euch ihm, statt ihn zu schmähen, viel lieber in die Arme geworfen hättet.«
»Du elende Törin, wie kannst du wagen, so dummes Zeug zu schwatzen?«
»Das ist nicht dümmer, als ins Gefängnis zurückzugehen, wenn man Euch da gerade erst herausgeholt hat.«
»Deine Frechheit geht zu weit! Du wagst, deine Herrin eine Idiotin zu nennen?«
»Das habe ich niemals getan. Ich sage nur, daß meine Herrin zuviel Rücksicht auf das Gerede der Leute nimmt.«
»Was du nicht sagst!«
»Verzeihung, Signora, aber es ist die reine Wahrheit. Ihr wollt nicht entehrt werden, sagt Ihr, und wollt ins Gefängnis zurückkehren,
damit die Leute Euch nicht für eine Ehebrecherin und Komplizin des Mörders halten. Doch was ist das für eine Ehre, die Ihr
dauernd im Munde führt? Sie mißt sich nicht daran, was Ihr getan habt, sondern an dem, was die Leute von Euch denken. Und
ich sage Euch, Ihr seid viel zu schön, als daß die Leute Euch nicht mit Wonne verleumden würden! Ob Ihr den Fürsten heiratet
oder Euch wieder in die Fänge des Papstes begebt – sie werden Euch in jedem Fall für schuldig halten. Der Unterschied ist
nur, daß Euch in der Engelsburg Schimpf und Schande erwarten. Verlaßt Euch darauf. Aber eine Fürstin Orsini wird keiner mehr
zu verleumden wagen: das ist die Wahrheit.«
» Affé di Dio!
Du redest wie der Fürst! Du wiederholst alles, was er gesagt hat! Sogar was er nicht gesagt, sondern nur gedacht hat! Du kannst
einfach keine Hosen sehen, ohne den Mann darin zu lieben! Du himmelst den Fürsten an und gibst ihm in allem recht! Gegen mich!«
»Wie das, Signora? Gegen Euch? Ich gebe ihm recht, weil er recht hat.«
»Gut, du schlaues Kind«, sagt sie, richtet sich hoch auf und sieht mich mit flammenden Augen an. »Geh zum Fürsten und |308| sag ihm, daß ich deine Frechheit und dein Geschwätz satt habe und dich nicht mehr sehen will. Scher dich weg! Soll er selber
dich in seine Dienste nehmen, wenn er will. Und dich zu seiner Hure machen, wenn er dazu Lust hat.«
Indem sie dies sagt, verpaßt die Signora mir zwei schallende Ohrfeigen. Sie hat so stark zugeschlagen, daß ich schwanke. Tränen
treten mir in die Augen, doch ich blicke ihr trotzdem fest ins Gesicht und sage:
»Ach, Signora, welche Schande! Ihr habt mich geschlagen! Mich, die ich Euch schon so lange
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